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US-Geheimanalyse: Gefahr durch Islamisten ignoriert

In einem Interview mit dem katarischen Fernsehsender Al-Dschasira vom 6. August hat der frühere Chef des US-Militärgeheimdienstes DIA (Defense Intelligence Agency), der heute pensionierte Generalleutnant Michael Flynn, erklärt, dass die US-Administration die Warnungen seiner Behörde vom August 2012 über den Aufstieg islamistischer Gruppen in Syrien nicht übersehen, sondern ignoriert habe.
In der geheimen Analyse, die im Mai 2015 nach dem US-Gesetz über Informationsfreiheit öffentlich gemacht wurde, heißt es, dass »Salafisten, die Muslimbruderschaft und AQI (Al-Qaida im Irak; jW) die stärksten Kräfte im Aufstand in Syrien« seien. Diese würden »vom Westen, den Golfstaaten und der Türkei unterstützt«. Die DIA warnte davor, dass im Osten Syriens ein »salafistisches Fürstentum« entstehen könne, das »ist genau, was die Unterstützer der Opposition (in Syrien) wollen, um das syrische Regime zu isolieren«, so der Bericht. Die US-Administration habe sich für diese Entwicklung entschieden, sagte Flynn: »Ich glaube, es war eine absichtliche Entscheidung.«
Flynn, der während der Jagd auf Osama bin Laden Geheimdienstdirektor des mit der Jagd beauftragten Gemeinsamen Sondereinsatzkommandos (JSOC) war, sagte Al-Dschasira, er habe dem Bericht 2012 »große Aufmerksamkeit gewidmet (…), die Aufklärung war eindeutig«. Auf die Frage, warum er nicht versucht habe, US-Waffenlieferungen an islamistische Extremisten etwa auf dem Umweg über die »Freie Syrische Armee« zu unterbinden, sagte Flynn: »Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber es ist nicht mein Job (gewesen). Mein Job war, die Genauigkeit unserer Aufklärung zu gewährleisten.«
In US-Medien und in Deutschland (Der Spiegel, 29.5.2014, »Das Märchen vom US-Masterplan für den ›Islamischen Staat‹«) war der DIA-Bericht unmittelbar nach der Veröffentlichung als »wertlos« und »unbedeutend« heruntergespielt worden. Brad Hoff, Marineveteran und Historiker mit Erfahrungen in Syrien, der heute das Internetportal Levant Report betreibt, bezeichnet das Interview mit General Flynn als »historisch«. Es habe den DIA-Bericht von höchster Stelle her als »zentrale und wichtige Quelle über die Ursprünge von ISIS« bestätigt und die US-Außenpolitik in Syrien und Irak ins richtige Licht gerückt. »Jeder amerikanische Haushalt«, so Hoff, sollte über das DIA-Dokument aufgeklärt werden. (kl, Junge Welt)
Das Flynn-Interview im Original: levantreport.com