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Die angebliche Bitte Marokkos um Wiederaufnahme in die AU ist nichts als eine Finte im Propagandakrieg um die Westsahara

Marokko ist gegenwärtig das einzige afrikanische Land, das nicht Mitglied der Afrikanischen Union (AU) ist. Diese Sonderstellung hat es selbst gewählt. Nachdem nämlich die Organisation für afrikanische Einheit (OAU) als Vorläufer der AU 1982 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) bzw. kurz die Westsahara in ihre Reihen aufgenommen hatte, zog das Königreich zwei Jahre später aus Protest seine Mitgliedschaft zurück. Schließlich hält es bis heute weite Teile dieser früheren spanischen Kolonie besetzt und bekämpft Sympathisanten einer Unabhängigkeit ihrer Einwohner, der Saharauis, gemäß seiner eigenen Hallstein-Doktrin.

Wenn der marokkanische König Mohammed VI sich nun mit einem gleichzeitig von der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP veröffentlichten Brief an die Staatschefs der AU wandte, die von Sonntag bis Dienstag im ruandischen Kigali zum Gipfeltreffen versammelt waren, heißt das natürlich nicht, dass das Königreich seine angeblichen „historischen Ansprüche“ auf die Westsahara und entsprechend sein Alleinvertretungsrecht aufgeben hat. So betont der Monarch in seinem Schreiben nicht allein, dass Marokko ein angestammtes Mitglied der afrikanischen Gemeinschaft ist und entsprechend wieder in die AU aufgenommen werden müsse. Gleichzeitig sprach er der DARS jegliche Existenzberechtigung ab und stellte ihre Anerkennung durch die AU als historischen Irrtum dar.

Marokko verfolgt also gegenwärtig das Ziel, wieder in die AU aufgenommen zu werden, versucht dies gleichzeitig aber an die Bedingung zu knüpfen, dass die Saharauis wieder aus ihr ausgeschlossen zu werden – ein Vorhaben, das die algerische Zeitung El Watan in einem Kommentar vom Sonntag als „unvereinbar mit der Satzung der AU“ ansieht: weder erlaubt diese eine Aufnahme unter Druck und Vorbehalt noch den Ausschluss von Mitgliedern.

Am 16. Juli erklärte ein Vertreter der AU in der ruandischen Zeitung The New Times, dass Marokko bisher keinen formalen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt habe. Dieser bedürfe sodann der Stimmen der Mehrheit der Mitglieder. Le Monde wiederum berichtete am Montag, eine solche Mehrheit sei bereits gefunden, 28 der 54 Mitgliedsstaaten der AU hätten eine entsprechende Erklärung unterzeichnet, der königliche Berater Taieb Fassi-Fihri gehe davon aus, dass Marokko noch unter der AU-Kommissionsvorsitzenden Nkosazana Dlamini-Zuma wieder in die AU zurückfinde, womit er darauf anspielte, dass der AU-Gipfel sich nicht auf einen Nachfolger für sie einigen konnte und eine erneute Abstimmung auf Januar 2017 verschob.

Fassi-Fihri war selbst zusammen mit Außenminister Salaheddin Mezouar nach Kigali gereist. Zuvor war Fassi-Fihri unter anderem in Kenia gewesen, einem Land, das die Westsahara anerkennt. Am Freitag war eine marokkanische Delegation nach Algerien gereist, das den saharauischen Vertriebenen seit Jahrzehnten Gastfreundschaft gewährt, hatte einen Brief an Abdelaziz Bouteflika überreicht und sich mit dem Premierminister und dem Geheimdienstchef getroffen. Auch dabei soll es El Watan zufolge um den Plan Marokkos gegangen sein, in die AU wiederaufgenommen zu werden.

Wenn Marokko erst einmal in die AU zurückgekehrt ist, so angeblich der Plan Rabats, werde es in ihr auch die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Satzungsänderung finden, die es erlaube, die DARS aus dem Kreis auszuschließen; allerdings scheint es sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kommt, hat doch eine Mehrheit der AU-Mitglieder die Westsahara unterstützt, darunter nicht zuletzt Nigeria, Algerien, Südafrika und Äthiopien, vier der größten Länder des Kontinents. So begann der AU-Gipfel am vergangenen Sonntag auch im Gedenken an Mohammed Abdelaziz, den am 31. Mai verstorbenen langjährigen Generalsekretär der Westsahara-Befreiungsfront Polisario und Präsidenten der DARS, zu dessen Nachfolger Anfang Juli Brahim Ghali gewählt worden war. Viel wahrscheinlicher ist, dass Marokko fürchtet, die Westsahara-Besatzung nicht länger in der gewohnten Form aufrechterhalten zu können. Nicht zuletzt hat es unlängst in einem Kräftemessen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon um die Westsahara-Blauhelmtruppe Minurso klein beigeben müssen: Dieser hatte die Flüchtlingslager der Saharaui besucht und dabei von der marokkanischen Besatzung der Westsahara gesprochen, worauf Marokko die UN wie eine beliebige NGO unter Boykott stellen wollte. Um aber der eigenen Bevölkerung vorzutäuschen, dass nichts sicherer und gewisser ist als die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko, erweckt das Königreich die Illusion, als stehe inzwischen sogar die AU kurz davor, die marokkanische Position in dieser Frage zu übernehmen. (inamo – JT)