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»Kriegsgefahren im Nahen Osten«

Heft Nr. 93
Jahrgang 24, Frühjahr 2018, 58 Seiten
März 2018

Mit Beiträgen von:

Errol Babacan, Patrick Cockburn, Tony Cartalucci, Nikolaos von Dam, Carsten Wieland, Max Abrahms, Joshua Landis, Mattthew Barber, Cilja Harders, Malise Ruthvan, Eskander Sadeghi-Boroujerdi, Norman Peach, Axel Goldau, Julia Joerin, Ismail Doga Karatepe, Gareth Porter, Khalid Abdelwahid, Jörg Tiedjen und Siegfried Frech.

Inhalte im Schwerpunkt

Patrick Cockburn: Syrien und Irak – Kriegsende?

In seinem Bericht über den Niedergang von Daesh/ISIS zieht Patrick Cockburn eine eher positive Bilanz des Jahres 2017. Erstmals seit vielen Jahrzehnten bestehe Hoffnung, dass die Region befriedet werde, auch wenn in Syrien und Irak die Gewalt noch nicht vollständig abgeflaut sei. Auf der Arabischen Halbinsel entwickelten sich zwar neue Konfliktlinien, die durch das Machtstreben Saudi-Arabiens angeheizt würden – jedoch wird die Strategie des ehrgeizigen Thronfolgers Muhammad bin Salman auf lange Sicht nicht aufgehen, wenn er weiterhin nur auf die Macht des Geldes bei der Konfliktregulierung setzt.  

(Kasten: Interview mit dem letzten US-Botschafter in Damaskus, Robert Ford)

Tony Cartalucci: Syrien – hat das Endspiel schon begonnen?

In diesem schon im September 2017 auf journal-neo.org veröffentlichten Text analysiert Tony Cartalucci die Lage in Syrien, nachdem die Regierungsarmee den Belagerungsring der Jihadisten um Deir ez-Zor durchbrechen konnte.

Nikolaos van Dam: Syrien – wem gehört die Zukunft?

Nikolaos van Dam ehemaliger niederländischer Botschafter im Irak, in Ägypten, Deutschland und Indonesien stellt die Frage angesichts des syrischen Desasters, ob dieses Desaster vorhersehbar war und ob es zu verhindern gewesen wäre. Diesen Beitrag hielt er auf einem Symposium über Syrien “Syria: Who will win the future”, organisiert vom niederländischen Außenministerium.

(Kasten: die „grauen“ Syrer)

Carsten Wieland: Das politisch-ideologische System Syriens und dessen Zerfall

Der Syrien-Forscher und Politikwissenschaftler Raymond Hinnebusch reihte Syrien in das nahöstliche Muster populistischer autoritärer Regime ein, die nach dem Abzug der Kolonialmächte entstanden sind. Ihre nationalistischen Eliten sahen sich äußerer Bedrohung und innerer Instabilität ausgesetzt. Sie stützten sich zunächst auf das Militär und den Verwaltungsapparat.  Gleichzeitig versuchten sie, ihre soziale Basis, etwa in die untere Mittelklasse, zu erweitern und ihre Legitimität zu erhöhen. Ihre außenpolitische Unabhängigkeit versuchten sie durch eine „defensive Modernisierung“ zu verteidigen.

Max Abrahms: Wie westliche Medien den Ruf der Jihadisten schönreden

Der Terrorismusforscher Max Abrahms stellt in der US-Zeitschrift Foreign Affairs (30.10.2017) fest, dass in den westlichen Medien die Tendenz besteht, die bewaffneten Rebellen reinzuwaschen. Blut an den Händen hat nur Asad. Die Flüchtlinge werden als prorebellisch bezeichnet, obwohl die Umfrageforschung anderes berichtet: Sie sind vor Asad geflohen, aber sie sind auch vor der bewaffneten Opposition geflüchtet. Abrahms meint, dass diese tendenziöse Berichterstattung dazu dient, die „Idee eines Regimewechsels besser verkaufen zu können“.

Joshua Landis und Matthew Barber: Für eine neue US-Politik im Mittleren Osten

In einem früheren Artikel über die US-Politik in der Levante haben wir davor gewarnt, dass die Entscheidung der USA, sich ohne Wenn und Aber hinter die kurdischen Nationalbestrebungen in Nordsyrien zu stellen, negative Folgen nach sich ziehen werde. Der Gegenstoß gegen diese Politik hat nun begonnen. Die Invasion der Türkei in Afrin und ihr Feldzug gegen die Volksverteidigungseinheiten (YPG), die von den USA unterstützte kurdische Miliz in Syrien, wurden gestartet, um Washingtons Entschluss entgegenzutreten, in Syrien zu bleiben und eine Grenzschutzarmee für den entstehenden nordsyrischen Staat, den die USA sponsern, zu bewaffnen und aufzubauen.

Gareth Porter: Wie Israel einen angeblichen syrischen Atomschlag verkauft

Das irakische Fiasco mit den Massenvernichtungswaffen ist keineswegs das einzige Beispiel für die Fälschung geheimdienstlicher Erkenntnisse durch politischen Druck. Im September 2007 drehte Israel der CIA einen zweifelhaften Hinweis auf einen angeblichen nordkoreanischen Atomreaktor in der Syrischen Wüste an. Die Israelis konnten den Mossad überzeugen, dass es sich um einen Nuklearreaktor handelte. Was die Israelis wirklich wollten, so Gareth Porter, dass die USA Luftschläge durchführen gegen die Munitions- und Waffenlager von Hizbullah und Syrien.

Inhalte im allgemeinen Teil

Helmut Krieger interviewt Cilja Harders

Lokale Dynamiken, globale Kontexte – Die arabischen Revolten jenseits einer Rhetorik des Scheiterns

Das folgende Interview von Helmut Krieger mit Cilja Harders wurde im Februar 2017 aufgenommen.

Saudi-Arabien

Malise Ruthvan: Die saudischen Billionen

 

Es machte durchaus Sinn, dass die erste Station von Trumps erster Auslandsreise im Mai Riyadh war. Saudi-Arabien – nach Russland der zweitgrößte Ölproduzent mit den (gemessen am GDP) größten Rüstungsausgaben der Welt, Hauptsponsor islamistischer Kampfgruppen in Afghanistan, Pakistan, Syrien und im Irak, Führer einer Koalition in einem vernichtenden, jetzt ins dritte Jahr gehenden Krieg im Jemen – ist ein Land, mit dem man Geschäfte machen kann, auch wenn passionierte politische Auguren im Westen Mühe haben, es zu begreifen. Es ist ein oft durch seine Widersprüche definierter Ort, in dem Stammes-Codes von Wüste und Oase – puritanisch, patriarchalisch, sparsam und streng – nebeneinander existieren und häufig mit Zurschaustellung von Wohlstand und Emblemen von Modernität wie luftgekühlten Einkaufsgalerien, Designer-Boutiquen und sechsspurigen Autobahnen zusammenprallen, die von hochgezüchteten und – bis jetzt – ausschließlich von Männern gesteuerten Fahrzeugen funkeln.

Iran

Eskandar Sadeeghi-Boroujerdi: Washington missversteht Qazvin: Über die Proteste im Iran

Am Donnerstag den 28. Dezember 2017  begannen Proteste in der Hauptstadt, die sich dann in zahlreichen Provinzstädten im Iran (so z.B. in Maschhad, Kermanschah, Rascht und Isfahan) verbreiteten.

Jerusalem

Norman Paech: Jerusalem völkerrechtlicher Status

Westsahara

Axel Goldau: Wer sind die Saharauis?

Sie sind Leidtragende einer Tragödie, von der nur höchst selten einmal die Rede ist: die Einwohner der ehemaligen spanischen Sahara-Kolonie, die heute von einem mittlerweile insgesamt 2.700 km langen Mauersystem geteilt wird. Im Osten – vor allem auf algerischem Territorium – leben die, die vor der marokkanischen Invasion fliehen konnten, mit ihren Nachkommen; im Westen die, denen die Flucht nicht gelang und/oder die dies auch erst gar nicht versucht haben, unter marokkanischer Besatzung. Die Menschenrechtslage in der von Marokko besetzten Westsahara beschreibt die US-amerikanische Organisation „Freedom House“ in den finstersten Tönen. In den Flüchtlingslagern und befreiten Gebieten östlich des Trennwalls dagegen haben die Saharauis unter furchtbaren Entbehrungen eine weitgehend friedliche, solidarische Gesellschaft geschaffen. Der Zustand der Teilung dauert nun schon 43 Jahre – und die marokkanische Mauer besteht bereits länger, als die in Berlin bestand.

 

Kurdistan/Irak

Julia Joerin: Kurdistan im Nordirak: Der glanzlose Niedergang Masoud Barzanis

 

Barzanis Unabhängigkeitsreferendum erwies sich als Fiasko, nachdem Bagdad die Kontrolle über die ölreiche Provinz Kirkuk wiederherstellte – und Iran seinen Einfluss in der Region ausbaute. Daran sind auch die USA und Deutschland mitverantwortlich.

 

Deutschland/Türkei

Ismail Doga Karatepe: Deutschland unter Erdogan: Eine Kritik am personalisierenden Diskurs

Es scheint, als sei Erdoğan persönlich der Autor aller kulturellen, politischen und ökonomischen Entwicklungen in der Türkei. Die Rhetorik kaschiert die politisch-wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Deutschland und der Türkei und öffnet den Raum für die deutsche Rechte.

 

Zeitensprung

Gareth Porter: Juni 2008 – eine merkwürdige Inspektion und die Folgen

Yousry Abushady, Top-Spezialist der IAEO für nordkoreanische Nuklearreaktoren, erkannte schnell, dass die CIA vom israelischen Geheimdienst dreist in die Irre geführt worden war und informierte umgehend im Mai 2008 die beiden höchsten Repräsentanten der in Wien ansässigen IAEO, den Generaldirektor Mohamed ElBaradei und  den stellvertretenden Generaldirektor für Sicherheitsfragen, Olli Heinonen, dass die Schlussfolgerungen der CIA nicht vereinbar waren mit grundlegenden technischen Anforderungen für einen derartigen Reaktor. Aber schnell musste Abushady  feststellen, dass die Spitzenrepräsentanten der IAEO nicht daran interessiert waren, seine Einschätzung des angeblichen syrischen Reaktors zu berücksichtigen. Im Juni 2008 entnahm ein IAEO-Team, das aus Heinonen und zwei weiteren Inspektoren bestand, Proben an der al-Kibar-Anlage.

ex mediis

Khalid Abdelwahid: JELLYFISH – ein Film über syrische BürgerjournalistInnen

John Waterbury: The Commander of the Faithful. The Maroccan Political Elite (Jörg Tiedjen)

Helga Ballauf, Orientalischer Aufbruch – wie das Weltwissen in den Westen kam (Siegfried Frech)