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inamo 87, Saudi Arabien – Scheichdämmerung

»Saudi Arabien – Scheichdämmerung«

Heft Nr. 87
Jahrgang 22, Herbst 2016, 70 Seiten
Oktober 2016

Inhalte im Schwerpunkt

»Saudi Arabien: Scheichdämmerung«

Die Tücken der Machtübertragung

Von Paul Aarts und Carolien Roelants

Im Vergleich zu der relativ umsichtigen Regierung des Königs Abdullah bin Abd al-Aziz Al Saud (1923-2015) hat sein von ihm ernannter Nachfolger und Halbbruder König Salman (nach seinem Amtsantritt im Januar 2015) eine weitaus aktivere Rolle inner- wie außerhalb Saudi-Arabiens eingenommen. Die Verantwortung für diesen plötzlichen Umschwung wird weitgehend seinem ambitiösen jungen Sohn Prinz Muhammad bin Salman (geb. um 1985) zugeschrieben, der unmittelbar nach der Thronbesteigung seines Vaters – zur Überraschung vieler – zum Verteidigungsminister und obersten Wirtschaftsverantwortlichen des Landes ernannt wurde. Ein paar Monate später wurde er auch zum stellvertretenden Kronprinzen bestimmt.

Wir sind Zeugen des Niedergangs der Großmacht Saudi-Arabien

Von Vijay Prashad

Vijay Prashad schreibt über die Bedeutung des schwindenden politischen Einflusses des Königreichs Saudi-Arabien, „Amerikas Königreich“, und dem geleichzeitigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Zerfall des Ölpreises für den Nahen Osten. Siehe auch den Wirtschaftskommentar in diesem Heft (Saudi-Arabien an allen Fronten):

Die Schia in Saudi-Arabien

Von Toby Matthiesen

Während der wichtigsten Periode der Feldforschung von Toby Matthiesen in Saudi-Arabien im Jahr 2009 war die Diskussion von Geschichten und zeitgenössischen Äußerungen schiitischen Lebens in Saudi-Arabien noch in einer Weise möglich, wie dann für längere Zeit nicht mehr.

Anschläge in Belgien: Bezüge zu Saudi-Arabien?

Von Lincoln Clapper

Lincoln Clapper untersucht den Tatort: Warum passierte das in Belgien? Warum waren so viele der Attentäter von Paris, und nun jene von Brüssel, belgische Staatsbürger? Was geht da in Belgien vor sich? In seiner Untersuchung kommt er zu dem Schluss, dass der Brüsseler Tatort eine saudisch-wahhabitische Handschrift trägt.

Menschenrecht-Persilschein-ein Service der Werbeagentur

Von Chris Green

Eine Agentur des Werbekonzerns Publicis soll dabei geholfen haben Saudi-Arabien nach einer der größten Welle von Massenhinrichtungen (zu den Opfern im Januar gehörten eine Reihe von Dissidenten und mindestens vier Jugendliche) einen Persilschein für dessen Menschenrechtsbilanz beschafft zu haben. Menschenrechtsgruppen sind zunehmend besorgt, dass drei weitere Jugendliche kurz vor ihrer Hinrichtung stehen – einschließlich Ali al-Nimr, der mit 17 Jahren für die Teilnahme an einer Demonstration für Demokratie zum Tode verurteilt wurde.

Saudi-Arabien aus der Teheraner Perspektive

Von Adnan Tabatabai

Seit Jahrzehnten sind Iran und Saudi-Arabien Rivalen um die regionale Vorherrschaft im Mittleren Osten. In den vergangenen drei, vier Jahren entwickelt sich diese Rivalität jedoch zunehmend zu einer offenen Feindschaft. Allen voran die Konflikte in Syrien und im Jemen gelten als Schauplätze eines Stellvertreterkrieges zwischen Teheran und Riyadh.

Exekutierte Symbolfigur

Von Toby Matthiesen

Nach der Hinrichtung des schiitischen Klerikers Nimr al Nimr sind die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran auf einem Tiefpunkt angelangt. Nimrs Geschichte zeigt, wie beide Regimes eine Politik der konfessionellen Spaltung betreiben.

 

Die Geoökonomie der Nahrungsmittelimporte des Golfs

Von Eckart Woertz

In den 1990er Jahren wurde in Saudi-Arabien Weizen angebaut, nach einiger Zeit musste er importiert werden. Ziel war die Selbstversorgung mit heimischen Weizen, doch die schwindenden Wasserressourcen machte diese Pläne zunichte. Wie Öl ist Wasser, das zur Nahrungsmittelversorgung notwendig ist, eine nicht erneuerbare Ressource, zumindest was fossiles Wasser betrifft. Auch die Pläne entsalztes Wasser für die Nutzung in der Landwirtschaft einzusetzen, hat nicht geklappt. Auch dem Tausch von Wasser (Nahrungsmittel) gegen Öl, sind Grenzen gesetzt. Wann wird das Öl versiegen?

Bis 2050 sind neun Milliarden Menschen mit Nahrung zu versorgen, dazu braucht man nachhaltige Landwirtschaftssysteme. Wie Eckart Woertz betont, wird in Zukunft auch für Saudi-Arabien das Ernährungssicherungsproblem eine strategische Dimension erreichen

Saudi Drifting: Saudische „Helden“ sterben jung

Von Stefan Bauer

 

Abdarrahman Munif: Eine Hinrichtung (aus: „Salzstädte“)

Abdarrahman Munif wurde 1933 in Amman geboren, der Vater war ein saudiarabischer Kaufmann, die Mutter Irakerin. Munif studierte Ökonomie und Ölwirtschaft in Bagdad, Kairo und Belgrad. 1963, als er sein Studium abgeschlossen hatte, teilte ihm die saudiarabische Regierung mit, er sei ausgebürgert worden. Seine Bemühungen, von Damaskus aus einen neuen Pass zu bekommen, blieben ohne Erfolg. Von 1965–1973 arbeitete er in Syrien in der Erdölbranche, später als Journalist in Beirut; schrieb er einige Fachbücher über die Erdölwirtschaft. Von 1975–1981 war er Chefredakteur einer Erdöl-Fachzeitschrift in Bagdad. Die folgenden fünf Jahre verbrachte er in Paris als freier Schriftsteller, danach siedelte er mit seiner Familie um nach Damaskus, wo er am 24. Januar 2004 verstarb. 1973 erschien sein erster Roman. Sein bedeutendstes Werk ist die fünfbändige Romanfolge „Die Salzstädte“ (mudun al-milh), die in Saudi-Arabien und den meisten Golfstaaten verboten ist. Damals hieß es, nach dem Werk würde gefahndet wie nach Waffen oder Rauschgift.

Die Salzstädte erzählt die Geschichte eines fiktiven Königreiches in der Golfregion und beschreibt den Wandel von der Beduinen- zur Ölgesellschaft. Im ersten Band wird die Zerstörung der alten sozialen Strukturen geschildert: Die Menschen müssen dem Öl weichen, sie werden in die künstliche Welt neu erbauter Städte verpflanzt. Die traditionellen Herrschaftsformen wandeln sich, eine staatsbildende Klasse entsteht, die den Gang und das Tempo der Entwicklung bestimmt, den Prozess der Industrialisierung forciert. Aller Reichtum, alle Macht liegt in ihren Händen, und ein perfekter Unterdrückungsapparat sichert diesen Zustand. (Norbert Mattes)

Inhalte im allgemeinen Teil

Gastkommentar

Jubiläum! 50 Jahre israelische Militärbesatzung

Von Annette Groth

Afghanistan

Beobachtungen in Afpak

Von Matin Baraki

Wie jedes Jahr berichtet Matin Baraki über seinen Aufenthalt in Afghanisten/Pakistan. Diesmal beleuchtet er das korrupte Gesundheitssystem, das bankrotte Bildungswesen und übersetzt wichtiges Material aus der Presse und den TV-Sendern. Bei seiner Beschreibung der Versuche den Krieg zu überwinden, berichtet er über die bisher gescheiterten Vierer-Verhandlungen: USA, Kabuler Administration, pakistanische Regierung und Taliban (als Vermittler ist die Volksrepublik China von allen akzeptiert). Grundsätzlich gibt es in Afghanistan zwei widersprüchliche Haltungen: Die Warlords setzen auf Krieg, andere Organisationen sehen Krieg als ein ungeeignetes Mittel an. Und die Besatzungsmacht USA spricht von einem 20-30 jährigen Krieg.

 

Palästina/Israel

Dunkelmans Geschichte

Von Jonathan Cook

Eine selten erzählte Geschichte des Krieges von 1948, durch den Israel gegründet wurde, handelt vom Überleben Nazareths

Warum Israel den Zugang zu seinen Archiven blockiert

Von Jonathan Cook

Israel, sagen Akademiker, hält wichtige Dokumente geheim, um zu verhindern, dass die dunkelsten Phasen seiner Geschichte ans Licht kommen.

Britische Medien berichteten (5.08.2016)…dass die britische Beteiligung am Aufbau von Israels angeblichem Atomwaffenarsenal eines der Themen von 400 fehlenden Dokumenten im britischen Nationalarchiv sei. Auf eine Anfrage gemäß dem „Freedom of Information“-Gesetz zitierte der „Independent“ aus der Antwort, dass wichtige fehlende Akten die sogenannte „ nukleare Zusammenarbeit“ mit Israel in den 70er Jahren beinhalten… Seit Januar 2012 sei der Verbleib von 402 historischen Dokumenten ungeklärt. Unter diesen Papieren sei eines von 1979 mit der Bezeichnung „Militärische und nukleare Zusammenarbeit mit Israel: Israels Atombewaffnung“ – so die BBC.

 

Ja, Israel exekutiert Palästinenser ohne Gerichtsverfahren

Von Gideon Levy

Syrien

Wer trägt die Schuld am syrsichen Albtraum?

Von Ehsani2

Der syrische Alptraum ist lange nicht zu Ende. Die Lage ist noch komplizierter geworden. Hier wird der Versuch unternommen eine Kritik zu formulieren, die aber längst noch nicht radikal genug vorgetragen wird. Die Notwendigkeit einer radikalen Selbstkritik innerhalb der Opposition scheint in weite Ferne gerückt. Vorherrschend ist, alle Brutalitäten auf das Konto des Regimes zu buchen und Kritiken permanent unter den Tisch zu kehren. Dann blieb nichts anderes übrig, als eine Politik der offenen Tür zu betreiben: Ahlan wa Sahlan für alle die das Regime bekämpfen wollen. Ein verhängnisvoller Fehler.

Inzwischen fragt man sich, ob die USA die jihadistischen Banden, die sie separieren wollten in „gute“ und “böse“ Kräfte, überhaupt noch unter Kontrolle hat.

Türkei

Die neuen Stützen des AKP Regimes

Von Murat Cakir

Der Putschversuch vom 15. Juli 2016 und dessen Auswirkungen auf die türkische Politik haben eine Welle von Kommentaren ausgelöst, deren Wucht einen klaren Blick auf die Ereignisse verstellt. Viele Analysen und Kommentare – auch von Linken –, die vor Wunschdenken, Klischees und realitätsfernen Wahrnehmungen geradezu strotzen, werden der komplexen Lage in der Türkei nicht gerecht und tragen wenig zur Aufklärung bei. Mit den falschen Fährten, die von der interessegeleiteten Berichterstattung bürgerlicher Medien gelegt werden, wird es für die Öffentlichkeit immer schwieriger, die Hintergründe der aktuellen Entwicklungen in der Türkei nachzuvollziehen. Hier ein Versuch gängige Lesarten des Putschversuches in der Türkei von links zu hinterfragen.

 

Debatte

Der Nahostkonflikt und die Partei „DIE LINKE“: Probleme einer (Nicht-)Haltung

Von Leandros Fischer

Dass kaum ein anderes Thema die deutsche Linke so sehr spaltet wie die Frage des Konfliktes zwischen Israelis und Palästinenser stellt mittlerweile keine besonders neue Erkenntnis dar. Die Brisanz dieser Frage erfasste bekanntlich in den letzten Jahren auch die größte Partei der Linken in Deutschland, die Partei DIE LINKE. Seit ihrer Gründung ist die Partei Schauplatz intensiver Auseinandersetzungen in dieser  Sache, die Kernfragen ihres politischen Selbstverständnisses direkt betrifft. Die Debatten werden entlang dreier konkreter Politikfelder ausgetragen.

 

 

Wirtschaftskommentar

Saudi-Arabien an allen Fronten

Von Malte Daniljuk

 

Zeitensprung

  1. Februar 1945 – Der Pakt der „Quincy“

Von Jörg Tiedjen

Das Königreich Saudi-Arabien ist seit langem neben Israel der engste Verbündete der USA im Nahen Osten. Wenn es um die Frage geht, worauf die Beziehung zwischen den beiden so unterschiedlichen Ländern beruht, ist immer wieder die Rede von einem Pakt, den König Abdelaziz Al Saud, meist nur kurz Ibn Saud genannt, und US-Präsident Franklin D. Roosevelt geschlossen haben sollen, als sie sich am 14. Februar 1945 an Bord des US-Kreuzers „Quincy“ auf dem Großen Bittersee im Suez-Kanal trafen: Im Gegenzug für die Vergabe der saudischen Ölkonzessionen an US-Firmen soll Roosevelt damals die saudische Monarchie de facto unter die militärische und politische Protektion der USA gestellt haben – Saudi-Arabien gewährleistet die Energiezufuhr der USA, dafür bürgen diese für Sicherheit und Fortbestand des Königreichs. Dieser „Pakt der ‚Quincy'“ soll angeblich für 60 Jahre abgeschlossen worden sein. Doch was wurde bei der Zusammenkunft wirklich besprochen?

 

Ex mediis

Rana Ayyub: Gujarat Files. Anatomy of a Cover Up.  (Jörg Tiedjen)

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