
Gastkommentar
Warum Pakistan für den Westen so unentbehrlich ist
von Ursula Dunckern
Schwerpunkt: Sexualitäten
Homopher Orient, toleranter Westen?
von Georg Klauda
Im Jahr 2005 legte die baden-württembergische Landesregierung den sog. Muslim-Fragebogen auf, ein Gesprächsleitfaden für die Einbürgerung, der sich gezielt an Einwanderer aus islamischen Ländern richtete. Ein Teil dieses Fragebogens bestand darin zu überprüfen, ob der Bewerber willens sei, homosexuellen Lebensweisen die nötige Toleranz entgegenzubringen. Darin schwang die doppelte Unterstellung mit, dass, erstens, die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe ein fester Bestandteil der deutschen „Leitkultur“ sei und, zweitens, dass muslimische Einwanderer diese potentiell bedrohten. Um das Groteske dieser Situation auszumalen, kann man gar nicht oft genug darauf hinweisen, dass es ausgerechnet die Autorin dieses Papiers war, die CDU, die nach dem Zweiten Weltkrieg dafür sorgte, dass der von den Nazis verschärfte Homosexuellenparagraph 175 unverändert erhalten blieb. Bis 1969 wurden aufgrund des § 175 100.000 Verfahren eröffnet. 1994 wurde er schließlich abgeschafft.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Auszug aus Georg Klaudas: Von der Sodomie zur männlichen Homosexualität
Liwat im islamischen Recht
L´homophobie intermondiale
von Georg Klauda
Eine der linksbellizistischen Rechtfertigungen für den Afghanistan-Krieg war nach dem 11. September 2001 neben der Unterdrückung der Frauen auch die Verfolgung von Schwulen unter den Taliban. Hiobs-Botschaften über die Verfolgung von Homosexuellen gelangen allerdings nicht nur aus den Ländern der »Achse des Bösen« zu uns, sondern auch von US-Verbündeten wie Saudi-Arabien und Ägypten. Doch die Frage bleibt: Müssen „wir“ angesichts solcher kruden Beispiele dem „imperialistischen“ Westen nicht eine untrügliche Überlegenheit in Sachen individueller Rechte und sexueller Toleranz zugestehen? Ist es nicht einfach wahr, dass die USA und Europa der Garant von ziviler Freiheit weltweit sind? Georg Klauda zeigt, wie grundlegend problematisch diese Sicht ist.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Der Import des westlichen Identitätsmodells
von Michiel Leezenberg
«Diese grausame Sünde der Sodomie ist bei ihnen so völlig straflos, dass die Männer öffentlich prahlen über ihre ekelhaften Taten.» Man könnte vielleicht denken, dies seien die Worten eines arabischen Imams nach dem Besuch eines Schwulenviertels in Berlin oder Amsterdam. Es handelt sich aber um genau das Gegenteil: das Urteil eines Europäers über die arabisch-islamischen Welt. Sie wurden geschrieben von Joseph Pitts, der im 17.Jahrhundert etwa fünfzehn Jahren versklavt in Algerien verbrachte.
Auch im vergangenen Jahrhundert hatte die arabische Welt den Ruf, eine Freistätte der freien oder bezahlten homosexuellen Liebe zu sein: für europäische und amerikanische Homosexuellen waren die arabischen Länder bis in die sechziger Jahre ein Paradies der Toleranz im Vergleich zu ihren Heimatländern. Wie kann man dieses Bild der arabisch-islamischen Welt als ein Ort offen praktizierter homosexueller Liebe in Übereinstimmung bringen mit der verbreiteten Intoleranz beispielsweise im heutigen Ägypten oder im Iran.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Frauen mit Schnurrbärten, Männer mit Bärte
von Pouneh Rassuli
Der Iran ist in seiner Funktion als islamischer Staat oft Gegenstand politik- oder sozialwissenschaftlicher Untersuchungen, ebenso wie die Rolle der Frau in der islamischen Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen oder Männlichkeitsbildern ist eher die Ausnahme. Afsaneh Najmabadis Women with Mustaches and Men without Beards, Gender and Sexual Anxieties of Iranian Modernity reiht sich in die Liste der Bücher ein, die versuchen, mit westlichen Theorien und Ansätzen historische und kulturelle Strukturen des Nahen Ostens zu erklären.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Sprich nicht drüber, lebe deine Wünsche! Interview mit Abdellah Taia
von Laura Naimski
„Ich gehöre zu einer Generation, für die der Ausdruck des ‚ich’ eine dringende Notwendigkeit darstellt,“ sagt Abdellah Taia. Der 34 jährige Schriftsteller, der als eines von zehn Kindern in ärmlichen Verhältnissen in Salé bei Rabat aufwuchs, sorgt in Marokko nicht nur wegen seiner Romane für Diskussionen. Nach Rachid O. ist Taia der zweite marokkanische Autor, der sich öffentlich zu seinem Schwulsein bekennt. Und er ist der erste, der dies von Anfang an unter Nennung seines vollen Namens tut. Taia schreibt auf Französisch und hat bislang drei Romane veröffentlicht: Mon Maroc (Séguier 2000), Le rouge du Tarbouche (2004) und L’armée du salut (2005).
Schwerpunkt: Sexualitäten
Homosexualität im Libanon: Soziale Identität vs. politische Zwänge
von Sofian Merabet
Wie an vielen anderen Orten der Welt fällt es auch im Libanon homosexuellen Frauen und Männern oft schwer, ihre Sexualität gesellschaftlich offen zu leben. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Praktiken der gleichgeschlechtlichen Liebe notwendigerweise tabu seien. Vielmehr ist es hier ähnlich wie in anderen soziokulturellen Kontexten auch. Das heißt, Schwule und Lesben werden geduldet, solange sie nicht die normativen Strukturen ihrer Umgebung in Frage stellen. Allerdings ist im Libanon die Möglichkeit, die persönlichen sexuellen Präferenzen in eine entsprechende soziale Identität zu überführen, im besonderen Maße von der jeweiligen politischen Tagesordnung abhängig.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Genderidentität und Heteronorm in der Türkei
von Ilka-Susanna Eickhof
In der Türkei gibt es insgesamt vier NGOs, die sich um die Rechte und Belange von homo-, bi- und transsexuellen Menschen kümmern. Allen gemein ist ein prekärer Status innerhalb der Gesellschaft. Eine dieser Organisationen ist LambdaIstanbul. 1993 gegründet, muss sie derzeit vor Gericht ihren NGO-Status verteidigen; vorgeworfen wird ihr der „Verstoß gegen die öffentliche Moral“. Auch die Organisationen Kaos GL (Ankara), Pembe Hayat (Pinkes Leben; Ankara), Gökkusagi (Regenbogen; Bursa) und Legato, die erste studentische LGBTT-Gruppe (Internetpräsenz und universitäre Gruppen) sehen sich immer wieder mit diesen Schwierigkeiten konfrontiert. LGBTT ist mittlerweile ein international geltendes Akronym für „Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual, Transgender“.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Häutungen – die Geschichte eines türkischen Transsexuellen
von Charlotte Schmitz
Ein Junge in einem kurdischen Bergdorf wünscht sich nichts sehnlicher als ein Mädchen zu sein. Auf der Suche nach einem neuen Leben reist er nach Istanbul. In der Metropole streift er sein altes Geschlecht ab, wie eine zu eng gewordene Haut. Doch die neue Frau wohnt weiterhin in ihrem Männerkörper.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Sexuelle Sklaverei und Menschenhandel mit Marokkanerinnen
von Nadia Lamlili
Abgereist, um in den Golfstaaten als Friseusen oder Hostessen zu arbeiten, finden sich Tausende Marokkanerinnen eingesperrt, geschlagen und zur Prostitution gezwungen wieder. Beim Versuch zu flüchten werden manche festgenommen oder sogar ermordet. Und Marokko schweigt – im Namen der Diplomatie.
In einer Meldung von Alarabiya.net vom 06.12.07 wird berichtet, dass die Polizei in den VAEdas größte Prostitutionsnetzwerk am Golf ausgehoben hat. Mehr als 300 Personen, die in den Emiraten 22 Bordelle betrieben, wurden verhaftet. Bereits 2006 wurden 4300 Frauen, die der Prostitution verdächtigt wurden, abgeschoben. Die dortige Justiz unterscheidet zwischen Prostitution und „white slave trade“ (willentlich oder unter Zwang). In den VAE gibt es jetzt ein neues Gesetz, das Menschenhandel bestraft.
Schwerpunkt: Sexualitäten
Interview mit Najat Anouar, Präsidentin der marokkanischen Vereinigung „Touche pas mon enfant“ (Fass mein Kind nicht an)
von Martina Sabra
Ägypten
Masculinity: Demonstration der Stärke
von Paul Amar
«Eisen spielen» bringt Geld und Respekt; und manchmal auch einfach nur Ärger. Man sollte sich durch Fußballfanatiker und die allerorts sichtbaren Pepsi-Anzeigen mit einem überlebensgroßen Ronaldo nicht täuschen lassen. Bei den Jugendlichen bekommt Fußball Konkurrenz. «Violent chic», eine Faszination mit Kampfsport und Bodybuilding, greift in Kairo zunehmend um sich.
Für viele junge Sportbegeisterte ist das Interesse an Fußball, an Mannschaftsgeist und Bewegung zurückgegangen, während sich Einzelsportarten, die auf individuelle Unbesiegbarkeit, auf Stärke und Sieg ausgerichtet sind, den Weg in das Rampenlicht erboxt haben. Ein Typ, der Punkte im Spiel macht, ist cool, aber ein Mann, der sein Selbstbild übernatürlich transformiert und durch physische, soziale und wirtschaftliche Beschränkungen durch rohe Kraft bricht, ist um einiges cooler.
Afghanistan/Philippinen
Von Afghanistan nach Basilanistan: Antikoloniale Revolte oder gezielter Terror?
von Rainer Werning
In den Südphilippinen, vor allem auf der Insel Basilan, herrscht seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA faktisch der Ausnahmezustand. Dort geht ein Gespenst um – das Gespenst des Terrorismus. Doch der Terror auf Basilan hat viele Gesichter. Seit den Anschlägen in New York und Washington soll auf Basilan, der Wiege der Abu Sayyaf-Gruppe, mit US-amerikanischer Unterstützung der Terror bis spätestens 2010 mit Stumpf und Stiel ausgemerzt worden sein. Wenn man da nicht einiges übersehen hat: In Südostasiens ältester Konfliktregion ist vieles komplexer und komplizierter, als sich das unbedarfte Kommissköpfe und lernresistente Politiker in Manila und Washington vorstellen.
Israel/Palästina
Israels wirtschaftlicher Würgegriff
von Lev Grinberg
Seit den ersten Tagen der israelischen Besatzung der Westbank und des Gazastreifens wurde eine Struktur der wirtschaftlich-militärischen Beherrschung der palästinensischen Bevölkerung geschaffen, die seitdem ohne weitreichende Veränderungen fortbesteht. Die Struktur der Herrschaft hat sich während der vierzig Jahre nur wenig verrändert: Sie entstand 1967-68, wurde im Rahmen der Osloer Abkommen ein wenig verbessert und geriet in die Krise, nachdem sich das israelische Militär wieder aus dem Gazastreifen zurückzog. Lev Greenberg untersucht die Struktur der Herrschaft und deren Wandel in drei Zeitetappen: Die Militärische Besetzung 1967, der Einzug der Palästinensischen Behörde zur Verwaltung der Städte 1994 und der Abzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen 2005.
Jordanien
Parlamentswahlen in Jordanien: Stillstand in der Hochglanzdemokratie
von Katharina Lenner
Die Parlamentswahlen in Jordanien sicherten königstreuen Kandidatinnen und Kandidaten abermals eine komfortable Mehrheit. Bis auf signifikante Stimmenverluste der Islamic Action Front (IAF) gab es kaum Überraschungen zu verzeichnen. Die jordanische Bevölkerung wie auch die meisten politischen Beobachter haben jegliche Hoffnung verloren, dass das Parlament ein Motor für positiven politischen oder sozio-ökonomischen Wandel sein könnte. Jordanien vermittelt ein dynamisches und demokratisches Image nach außen – nach innen regiert der Stillstand.
Wirtschaftskommentar
Ägyptische Wirtschaftsreform, Vers. 4.3. – Freuen Sie sich schon jetzt auf die neuen Updates
von Ulrich G. Wurzel
Jeder PC-Nutzer kennt die Situation: Um mit dem PC arbeiten zu können, benötigt man Programme – die Hardware ist nichts ohne die für die Ausführung bestimmter Funktionen notwendige Software. Die Software wird regelmäßig weiterentwickelt – es folgen jeweils neue Programmgenerationen aufeinander. In der Zwischenzeit, bevor wieder ein neues Programm auf den Markt kommt, gibt es die so genannten Updates des alten Programms – immer dann, wenn es neue Herausforderungen oder technische Entwicklungen gibt. Oder, wenn die ursprüngliche Programmversion doch zu viele Fehler und Fehlfunktionen enthielt. Ein solches, inzwischen mehrfach neu aufgelegtes – und noch häufiger aktualisiertes – Programm ist auch das Programm Ägyptische Wirtschaftsreformen, das für diverse Anwender und Beobachter über die Jahre und Jahrzehnte seine Faszination bewahrt hat.
Zeitensprung
Juli 1954: Die Lavon-Affäre – Operation Susanna
von Tamar Amar-Dahl
Ende 1953 wird Pinchas Lavon zum israelischen Verteidigungsminister ernannt. Sein Name wird bald darauf eine der bekanntesten, sicherheitspolitisch und parteipolitisch interessanten Affären des jungen Staates bezeichnen. Den Hintergrund bildet eine von der israelischen Regierung nicht autorisierte, von der Einheit 131 der israelischen Armee im Juli 1954 durchgeführte Sabotageoperation in Ägypten. «Operation Susanna» sollte das Verhältnis zwischen dem Westen und Ägypten destabilisieren.
Türkei / Literatur
Die „Türkische Bibliothek“
von Erika Glassen
Das Referat «Völkerverständigung» der Robert Bosch Stiftung, Stuttgart, entschloss sich 2003, eine Reihe von 20 Bänden mit deutschen Übersetzungen aus dem Türkischen zu fördern und damit eine «Türkische Bibliothek» ins Leben zu rufen. Im Unionsverlag Zürich fand sich ein geeigneter Verlag, der bereits wichtige türkische Autoren, wie Yaşar Kemal, unter Vertrag hatte, und in Lucien Leitess ein engagierter Verleger, der sich für das Vorhaben einsetzte. Zusammen mit Börte Sagaster, seinerzeit Referentin am Orient-Institut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft DMG in Istanbul, wurde von den Herausgebern unter Einbeziehung deutscher und türkischer Experten eine Liste mit herausragenden türkischen Romanen aus dem 20. Jahrhundert zusammengestellt.
Kurzgeschichten
Abbas Maroufi: Requiem
Kia Bahadori: Ich muss darüber nachdenken
Ex Libris
Beate Hinrichs rezensiert Joris Luyendijk: Wie im echten Leben. Von Bildern und Lügen in Zeiten des Krieges