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Gastkommentar
Ein palästinensisches Wunder bei den Vereinten Nationen
Von Ramzy Baroud


Schwerpunkt: Türkei

Wahlen, Juli 2007
Von Ertuğrul Kürkçü

Der Istanbuler Journalist Ertuğrul Kürkçü verfolgt die Thesen des Wahlergebnisses, die von türkischen und ausländischen Beobachtern aufgestellt wurden: War es ein „Sieg des politischen Islam“? Wird „die Türkei ein gemäßigter islamischer Staat“ oder „beschreitet sie einen neuen demokratischen Weg“? War die Wahl eine „Schlappe für das Militär“? Wie ist die Niederlage der CHP einzuschätzen; wie hat die rassistische MHP abgeschnitten und wie ist der Einzug der DTP ins Parlament zu werten?


Schwerpunkt: Türkei

„AKP reloaded“ – Nach den Wahlen
Von Gabriel Goltz

In inamo Nr. 50 hatten wir den Beschluss des türkischen Generalstabs vom 27. April dokumentiert, in dem vor den wachsenden Aktivitäten eines „Teils der Kreise, die unaufhörlich versuchen, die Grundwerte des Staates der türkischen Republik, allen voran den Laizismus, auszuhöhlen,“ gewarnt wird. Gemeint war die Partei, die bei den Wahlen einen „historischen Wahlsieg“ errang, die AKP. Gabriel Goltz untersucht, ob der Erfolg der AKP ein muslimisches Mehrheitsvotum gegen den Laizismus der türkischen Republik darstellt, oder ob er etwas zu tun hat mit ihrer Wirtschafts- und Reformpolitik sowie ihrer entschlossen pro-europäischen Politik.


Schwerpunkt: Türkei

Die Geschichte des türkischen Nationalismus
Von Ayşe Hür

Ein großer Teil der Türken hat bisher nicht begriffen, dass das auf drei Kontinente ausgedehnte riesige Osmanischen Reich auf die kleine, auf Anatolien beschränkte türkische Republik gedrängt wurde. Die extreme Ausrichtung auf Modernisierung und technologische Entwicklung einerseits und die im Zuge der rasanten Modernisierung entstandenen ungeheuren sozialen und ökonomischen Probleme andererseits lösen den Wunsch nach Einheit und Integrität aus. Bei türkischen Nationalisten fachen beide zugleich Misstrauen an gegenüber ethnischen, kulturellen, religiösen und Klassenunterschieden, gegenüber dem Westen, der als Bedrohung für den Fortbestand des Landes angesehen wird, sowie gegenüber den Minderheiten, die traditionell als dessen Kollaborateure gelten.

Im nachstehenden Beitrag zeichnet Ayşe Hür die Entwicklungsgeschichte des türkischen Nationalismus nach und zeigt wie die ungelösten Fragen nach Identität aus dem 20. mit ihren Wurzeln im 19. Jahrhundert die politischen Positionen der Gegenwart beeinflussen.


Schwerpunkt: Türkei

Anti-Millîtarismus in der Türkei
Von Corry Görgü

Am 14. Juni diesen Jahres erhielt der türkische Kriegsdienstverweigerer Osman Murat Ülke (Ossi) die Aufforderung der Militärstaatsanwaltschaft, eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren anzutreten. Ossi, der am Antikriegstag des Jahres 1995 öffentlich seine Kriegsdienstverweigerung erklärt hatte, ist seit nunmehr zwölf Jahren den Repressalien und Schikanen türkischer Militärjustiz ausgesetzt. Zwischen 1996 und März 1999 war er insgesamt 701 Tage in verschiedenen Militärgefängnissen inhaftiert, davon mehrere Wochen in Isolationshaft. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung existiert in der Türkei nicht. Verweigerung generell wird als Desertion geahndet, jede konkrete Weigerung den Wehrdienst anzutreten oder auch eine Uniform anzuziehen, wird als Befehlsverweigerung oder auch als „fortgesetzter Ungehorsam“ bestraft. So kann – wie im Fall von Ossi – ein Teufelskreis entstehen, da jede einzelne Weigerung (auch nach Absitzen einer Teilstrafe) den Wehrdienst anzutreten, erneute Anklagen und Verfahren nach sich zieht.


Schwerpunkt: Türkei

Die Debatte um den „tiefen Staat“
Von Mithat Sancar

Seit fast vierzig Jahren steht der „tiefe Staat“ als eines der wichtigsten Themen auf der türkischen Tagesordnung. Bei Vorfällen wie den politischen Morden an einer Reihe bekannter Persönlichkeiten in den 1970er Jahren, der „Provokation“ vom 1. Mai oder den Massenmorden in Maraş und Çorum, war stets der „tiefe Staat“ unter seiner Bezeichnung „Kontraguerilla“ der übliche Verdächtige. In den 1980er Jahren kam der „tiefe Staat“ mit dem Anschlag auf Turgut Özal wieder hoch. 1996, mit dem Fall von „Susurluk“ war er vielleicht zum ersten Mal in seiner ganzen Brutalität erkennbar. Der „Şemdinli-Fall“ vom November 2005 löste eine neue Welle der Diskussion um den „tiefe Staat“ aus. Mit der Ermordung Hrant Dinks im Januar 2007 flammten diese Debatten erneut auf.


Schwerpunkt: Türkei

Report BIA Media Monitoring
Von Erol Önderoğlu

Der zweite, vierteljährlich erscheinende BIA Media Report ist ein ernüchterndes Dokument. Journalisten, Tageszeitungen, Radio- und Fernsehstationen werden weiterhin daran gehindert von ihrem Recht auf freie Berichterstattung gebrauch zu machen. Die folgende Dokumentation ist ein Teil des BIA Reports für die Monate April, Mai und Juni 2007. Der Bericht dokumentiert, dass in der gesamten Türkei Journalisten an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden und persönlichen Gefahren ausgesetzt sind wenn sie als Reporter auftreten.


Schwerpunkt: Türkei

Logik der Eskalation oder Prozess der Stabilisierung:
Die Türkei und die irakischen Kurden

Von Michiel Leezenberg

Im Sommer 2007 kamen die irakischen Kurden unter wachsenden diplomatischen und militärischen Druck von Seiten der Türkei und des Iran. In den Wochen vor den Parlamentswahlen Ende Juli 2007 zog die türkische Armee große Truppenkontingente nahe der türkisch-irakischen Grenze zusammen und drohte mit einer Invasion gegen die PKK-Guerrillas im irakisch-kurdischen Qandilgebirge. Im August bombardierte der Iran wiederholt Dörfer im irakisch-iranischen Grenzgebiet zwischen Penjwin und Haj Umran, angeblich gegen Guerillas der iranisch-kurdischen PJAK, die Berichten zufolge kurz zuvor zwei iranische Militärhelikopter abgeschossen hatten. In einer Presseerklärung vom 1. September behaupteten PJAK-Quellen aber, die Türkei und der Iran würden gemeinsam örtliche PKK-Guerrillas, PKK-nahe Gruppen sowie PJAK und die kurdische Regionalregierung zu schwächen versuchen, indem sie mit al-Qa´ida verbundene Gruppen wie Ansar al-Islam in dieser Region unterstützten.


Schwerpunkt: Türkei

Tendenzen in der zeitgenössischen türkischen Literatur
Von Tevfik Turan

2008 wird die Türkei Gastland der Frankfurter Buchmesse sein. Trotz der enormen Vielfalt und Qualität ist die zeitgenössische türkische Literatur im deutschsprachigen Raum bislang kaum bekannt. Erst in den letzten Jahren wurden zunehmend Werke türkischer Autoren ins Deutsche übersetzt. Lange Zeit erschienen selbst die Werke weltbekannter Schriftsteller wie Nazim Hikmet oder Aziz Nesin in Kleinstverlagen und erreichten kaum ein größeres Lesepublikum. Die Buchmesse im kommenden Jahr mit der Türkei als Gastland bietet die Chance für einen Durchbruch der türkischen Literatur in Deutschland. Mehrere Verlage legen eigene Türkei-Programme auf. inamo wird in den bis zur Buchmesse 2008 erscheinenden Heften jeweils Beiträge zu verschiedenen Aspekten der aktuellen türkischen Literatur veröffentlichen. Wir beginnen mit einem Artikel von Tevfik Turan.


Allgemeiner Teil

Israel/Palästina

Azmi Bishara wird verfolgt, weil er Recht hat
Von Amnon Raz-Krakotzkin

Von 1990 bis 1996 war Azmi Bishara Forschungsdirektor im Jerusalemer Van-Leer-Institut, und Anfang der 90er Jahre beteiligte er sich in Ramallah an der Gründung des palästinensischen Instituts zum Studium der Demokratie „Muwatin“. Seit 1996 ist er Mitglied der Knesset für die National Democratic Assembly (NDA) oder kurz Balad genannt. Am 23. April 2007 hat Azmi Bishara sein Mandat in der Knesset niedergelegt. Dies teilte er dem israelischen Botschafter in Kairo mit. Bei einer Rückkehr nach Israel droht ihm eine Verhaftung und da ein legales Verfahren Jahre dauern kann, darf er in dieser Zeit das Land nicht verlassen. Amnon Raz-Krakotzkin schreibt über Bisharas Kampf für Gleichberechtigung im jüdischen Staat.


Libanon
Karneval der Konfessionen im Libanon
Von Asaad Abu Khalil

In Beirut und in der Region al-Matn fanden gleichzeitig am 5. August Nachwahlen statt, die notwendig geworden waren, nachdem der Parlamentsabgeordnete Walid Iddu und Industrieminister Pierre Gemayyel, Sohn des früheren Präsidenten Amin Gemayyel, ermordet worden waren. Die Beiruter Wahlen wurden von den schiitischen Kräften, Amal und Hizbullah, boykottiert (Wahlbeteiligung 19%), weil die Regierung zu Nachwahlen aufgerufen hatte, wozu eigentlich nach der libanesischen Verfassung nur der Staatspräsident legitimiert ist. Präsident Emile Lahoud und die Opposition betrachten die Regierung als nicht mehr legitim, nachdem die schiitischen Minister im Dezember 2005 ihr Amt niedergelegt hatten. Beim Wahlgang in al-Matn, einer maronitischen Hochburg, nahm die oppositionelle FPS von General Aoun teil, deren Kandidat Camille Khoury mit knapper Mehrheit gegenüber Amin Gemayyel siegte.


Syrien

Zur Geschichte der syrischen Juden
Von Usahma Felix Darrah

Nach jüdischer, christlicher und muslimischer Überlieferung siedelte der Ur-Patriarch Abraham für eine Weile in Aleppo und ließ ebendort seine Kühe melken, weshalb die Stadt den arabischen Namen (halab) für “molk” trägt. Syrische Juden werden allgemein auf zwei Ursprünge zurückgeführt: Nachkommen uralter indigener Gemeinden des biblischen Aram Tzova (vermutlich Aleppo) und Nachkommen der nach 1492 in die Levante emigrierten Juden der Iberischen Halbinsel. Der Nahostkonflikt hat die weit über zweitausendjährige Zusammengehörigkeit zwischen syrischer Kultur und Judentum sowie die über tausendjährige Symbiose zwischen arabischer Kultur und jüdischer Religion zerstört. Zwischen dem Ersten Weltkrieg, der Staatsgründung Israels sowie der Nakba, und den 1990er Jahren, lösten sich die großen jüdischen Gemeinden in Aleppo und Damaskus auf.


Syrien

Gewalt, Flucht und Überleben – Irakische Flüchtlinge in Syrien

Von Ashraf al-Khalidi, Sophia Hoffmann, Victor Tanner
Nach Schätzung des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) Antonio Guterres befinden sich mindestens 1.8 Mio. Vertriebene im Irak sowie etwa 2.2 Mio. als Flüchtlinge in der Nahost Region. Zehntausende Iraker sollen sich nach Iran, der Türkei und in die Golfstaaten begeben haben. Fast 120.000 wurden in Ägypten aufgenommen, geschätzte 40.000 halten sich illegal im Libanon auf. Die überwiegende Mehrheit befindet sich in Syrien (1,5 Mio. bei einer Einwohnerzahl von 18 Mio.) und Jordanien. Da beide Länder die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 nicht unterzeichnet haben ist der Status der Flüchtlinge immer noch der von Gästen oder Touristen. Die bemerkenswerte Bereitschaft Syriens, seine Grenzen und Sozialleistungen für Iraker weiterhin offen zu halten, liegt u.a. auch in seiner Staatsideologie verwurzelt. Entsprechend der panarabischen Ausrichtung der herrschenden Baathpartei betrachtet diese alle Araber als derselben Nation zugehörig. Ab 1. September werden neue Reglungen in Kraft treten.


Wirtschaftskommentar

Israels boomende Wirtschaft
Von Shimshon Bichler und Jonathan Nitzan

Für Thomas Friedman von der New York Times liegt das Geheimnis von Israels boomender Wirtschaft im israelischen Genius begründet, in dem Ideenreichtum, Innovation und Flexibilität der Bürger des Landes, unterstützt durch akademische Bildung und staatliche Unterstützung für Unternehmen. Naomi Klein, auf dem Boden der Realität, verweist auf Israels Kriegsindustrie. Israel sei zu einem Großraumlabor für Waffen geworden, mit der dazugehörigen Software, mit der sie den Weltmarkt beliefert. Die beiden Politökonomen Shimshon Bichler und Jonathan Nitzan hinterfragen den Wirtschaftsboom.


Zeitensprung

1967 – vor und nach dem Krieg
Von Norbert Mattes

Im Zentrum des Nahost-Konflikts in den 50er und 60er Jahren standen die Lavon-Affaire 1954; die Zerschlagung des Projektes Alpha (GB-US-Friedensprojekt); der 1956er Krieg gegen Ägypten, bei dem sich Israel an die Seite der Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien stellte und den Sinai eroberte; der Aufbau des israelischen Atomprogramms; der Kampf um das Wasser der Quellflüsse des Jordan, in den Syrien, Jordanien und der Libanon involviert waren. Nassers panarabische Propaganda und die Aufnahme des bewaffneten Kampfes der palästinensischen Organisationen verstärkten die Spannungen in der Region, die schließlich im arabisch-israelischen Krieg von 1967 endeten. Im Folgenden wird der Krieg selbst nicht behandelt, sondern es sollen entlang der einschlägigen neueren Literatur zum Thema lediglich einige Fakten aufgezeigt werden, welche die zum Ausbruch des Krieges beitragenden Faktoren sowie die Auswirkungen des Krieges betreffen.


LITERATUR

Nicht zurückzukehren nach Haifa…
Von Adania Shibli

Geisterstadt
Von Haitham el-Wardany

EX LIBRIS

Frank Renken: Frankreich im Schatten des Algerienkrieges. Die fünfte Republik und die Erinnerung an den letzten großen Kolonialkonflikt
Von Paul Grasse

Hegasy, Sonja und Kaschl, Elke, Ed. (2007): Changing Values among Youth. Examples from Germany and the Arab World. Klaus Schwarz Verlag, Berlin.
Von Kristian Brakel