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Gastkommentar

Armin Köhli: Wer hat Angst vor Hamas?

 

Hamas-Wahl

Alexander Flores: Mit Hamas leben?

Mit dem Sieg von Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen ist eine neue Situation entstanden. Die israelische Regierung versichert, mit einer von Hamas dominierten palästinensischen Behörde könne sie nicht verhandeln. Wenn man sich vor Augen hält, daß sie auch mit der bisherigen an friedlichem Ausgleich interessierten Führung nicht verhandelt hat, verliert diese Ankündigung an Wucht. Unabhängig davon könnte man annehmen, daß der antisemitische Diskurs, die irredentistische Programmatik (Irredentismus wird hier und im ganzen Artikel verstanden als die Position, die sich nicht mit einem Palästinastaat neben Israel begnügt, sondern ganz Mandatspalästina als arabisches Land wiederherstellen will) und die terroristischen Kampfmittel sowie das damit einhergehende militante Auftreten von Hamas eine friedliche Regelung tatsächlich sehr erschweren. Der Artikel behandelt Hamas in seinen grundsätzlichen Zügen und seinen bisherigen Verhalten, um Perspektiven nüchtern beurteilen zu können.

 

Helga Baumgarten: Wahlen in Palästina

Zehn Jahre nach den ersten palästinensischen Parlamentswahlen im Januar 1996 wählten die Palästinenser am 25. Januar 2006 ein zweites Mal ihre Abgeordneten für einen neuen palästinensischen Legislativrat. Statt 88 standen diesmal 132 Sitze zur Wahl, und das einfache Mehrheitswahlrecht von 1996 wurde nunmehr ersetzt durch ein kombiniertes Mehrheits-und Proportionalwahlrecht. Meinungsumfragen, inklusive der beiden Umfragen am Wahltag, sagten konstant einen wenn auch knappen Sieg der Fatah-Bewegung voraus, die das alte Parlament kontrolliert hatte. Der Gewinner war jedoch Hamas und zwar mit einem überwältigenden Vorsprung von 74 gegenüber 45 Abgeordneten. Im neuen Parlament sitzen neben den beiden dominierenden Blöcken von Hamas und Fatah vier kleine Parteiengruppierungen, die über insgesamt 9 Sitze verfügen, sowie nur vier unabhängige von Hamas unterstützte Kandidaten.

 

Zvi Schuldiner: Unilateral heißt das Spiel

Der Sieg der Hamas bei den palästinensischen Wahlen ist ein problematisches Geschenk an Ariel Scharons Politik, eine Politik, die jetzt von seinen Gefolgsleuten in der Kadima-Partei umgesetzt wird. Die Regierung Israels kann sich nun auf die Politik der vergangenen Jahre zurückziehen: „Es gibt keinen Partner“.

 

Muriel Asseburg: Gefährliche Auswirkungen – Internationale Reaktionen auf die Wahl

Nach ihrem unerwarteten Erdrutschsieg bei den palästinensischen Wahlen am 25. Januar 2006 ist die Hamas im Palästinensischen Legislativrat mit einer absoluten Mehrheit der Sitze (74 von 132) vertreten. Als Partei unter dem Namen »Wandel und Reform« angetreten, hat die Hamas nach dem Wahlsieg ihre Bereitschaft erklärt, Regierungsverantwortung zu übernehmen und andere politische Kräfte in die Regierung einzubeziehen. Für eine Gruppierung, die sich gerade erst entschlossen hatte, im politischen System mitzuarbeiten und die sich auf die Rolle einer starken Opposition eingestellt hatte, stellt dies eine enorme Herausforderung dar. Die Enttäuschung der Fatah-Basis über die Wahlniederlage hat sich in gewalttätigen Ausschreitungen und, unter dem Vorwand des Protests gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen, in Angriffen auf europäische Einrichtungen entladen. Die prekäre Situation in den palästinensischen Gebieten wird durch die israelische und amerikanische Reaktion auf Wahlsieg und Regierungsbildung weiter destabilisiert.

 

Israelische und palästinenische Stimmen zum Wahlsieg von Hamas

HipHop: Israel/Palästina

»Where there is a Ghetto, there is HipHop.« Die arabische HipHop-Gruppe Da Arabic Microphone Controllers (DAM)

Text: Wer ist der Terrorist?

Kritischer HipHop aus Israel: Die Gruppe HaDag Nachash (Der Fisch ist eine Schlange).

Text: Besuch bei Herzl

 

Karikaturenstreit:

Oliver Fahrni: Hurlyburly verheert die Köpfe – Europa leidet unter akutem Realitätsverlust

 

Special-Relationship USA-Israel

Jeff Halper: Israel als Vorposten des US-Imperiums

Jeff Halper bilanziert als Israeli mit großer Sorge die Entwicklung des Landes, das „trotz all der Gewalt und Ungerechtigkeit, die seine Geburt begleiteten“ für ihn nicht das Land ist, das es hätte werden sollen: antisoziale Privatisierungsprogramme haben die Oberhand gewonnen, Israel „ist zum Zentrum des weltweit Rechten Lagers geworden“, in einer Zweckehe der rechten Kräfte mit dem im Kern antijüdischen christlichen Zionismus; sein Streben nach militärischer Stärke, „hat zusammen mit einer eigennützigen ‚Allianz’ mit den USA aus ihm einen der weltweit größten Waffenhändler und Gegner fortschrittlicher Teile der Zivilgesellschaft in den Entwicklungsländern werden lassen.“

Diese „eigennützige Allianz“, die „besondere Beziehung“ Israel-USA, behandeln wir noch an Hand von zwei weiteren Artikeln: Gilbert Achcar analysiert diese Beziehung zwischen 1948 und 2000, der letzte Artikel ist über die Ermittlungen des FBI beim American Israel Public Affairs Committee (AIPAC).

 

Gilbert Achcar: Die „besondere Beziehung“ zwischen den USA und Israel

Die USA standen im Nahen Osten einer Mauer gegenüber. Ihre Strategie der Nachkriegsjahre war gescheitert: Die Russen waren zunehmend „drin“, während die Amerikaner selbst immer mehr hinausgedrängt wurden. Als man diese Sachlage in Washington erkannte, wurde Israel, in dem man lange eine Bürde für Washingtons Nahostpolitik gesehen hatte, zu einer strategischen Trumpfkarte allererster Güte.

 

Das Weiße Haus, FBI und AIPAC

Eine besondere Rolle bei den Beziehungen USA und Israel spielt die Lobbyorganisation American Israel Public Affairs Committee (AIPAC). Sie war in den letzten Jahren Ziel von Untersuchungen des FBI geworden.

 

Syrien

Volker Perthes: Veränderung kommt sicher, aber wie? Bashar al-Asad riskiert den Sturz seines Regimes

Am 5. Oktober 2005 veröffentlichte die International Herald Tribune unter den Titel «Syria: It’s all over, but it could be messy» eine Analyse der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage in Syrien. Der Autor, der deutsche Politikwissenschaftler und Syrienexperte Volker Perthes, entwickelt in seinem Beitrag drei Szenarien für die unmittelbare Zukunft Syriens: Bashar al-Asad führt selbst Reformen durch um sich und sein Regime zu retten, oder er versucht die Probleme auszusitzen und riskiert die Desintegration der Gesellschaft und damit den Zerfall des Staates. Das dritte, wäre ein Militärputsch, der eine autoritäre Lichtgestalt für Syrien an die Macht bringen soll, um das Land in eine liberale und demokratische Zukunft zu führen.

Auf diesen Beitrag hin folgte die Replik eines als Anonymus auf der Website www.syriacomment.com schreibenden syrischen Intellektuellen und Dissidenten sowie die Kritik von Joshua M. Landis, Professor of Middle Eastern Studies, University of Oklahoma.

Anonymous: Warum ein Umsturz in Syrien unwahrscheinlich ist

 

Joshua Landis antwortet: »Es wird keinen Mann zu Roß geben, der Syrien vor sich selbst retten kann.«

»Wir sind uns beide einig, daß die Opposition weder stark noch populär genug ist, einen Regime-Wechsel herbeizuführen. Wir sind aber geteilter Meinung, was die Wahrscheinlichkeit eines Umsturzes angeht. Hier die Gründe, warum ich nicht glaube, daß es von seiten des Westens realistisch ist, Syrien harten Sanktionen auszusetzen, in der Hoffnung, daß ein «freundlicher» Putsch dessen Syrien-Problem lösen und es ihm ermöglichen wird, die Sanktionen aufzuheben, bevor das Volk verhungert.«

 

Die Damaszener Erklärung für nationale und demokratische Umwälzung

Wir dokumentieren hier die Damaskus-Erklärung der syrischen Opposition in gekürzter Fassung. Die Initiatoren haben sie am 16. Oktober 2005 verfaßt und sie zwecks Unterzeichnung in Umlauf gebracht. Sie dient dazu eine Einheitsfront aller politischen Gruppierungen und Komitees für politische Umwälzungen in Syrien herzustellen. Eine Einschätzung der Erklärung gibt der nachfolgende Artikel von Ahmad Hissou.

Erstunterzeichner sind fünf Parteien und Organisationen sowie bekannte Persönlichkeiten.

Die Nationaldemokratische Gruppierung in Syrien; Der Kurdische Demokratische Bund in Syrien; Komitees zur Belebung der Zivilgesellschaft; Die Kurdische Demokratische Front in Syrien; Die Zukunftspartei (Scheikh Nawaf El-Bechir).

Riyadh Seif, Joudat Saiid, Dr. Abdul-Razaq Iyd, Samir Nachar, Dr. Fidaà Akram El Hourani,

Dr, Adel Zakkar, Abdul-Karim El-Dhahhak, Heitham El-Maleh, Neyef Quaissieh.
Ahmad Hissou: Die Erklärung von Damaskus – Ein wichtiger Schritt, aber ein gefährlicher Diskurs

Vier Monate nach der Veröffentlichung der „Erklärung von Damaskus“ sahen sich ihre Initiatoren aufgrund der Welle von Kritik gezwungen, eine „Zusatzerklärung“ zu veröffentlichen. Das zeugt sicher von der Flexibilität der Initiatoren, von ihrer Dialogbereitschaft sowie von ihrer Fähigkeit, Kritiker in ihren Reihen aufzunehmen, was auch deshalb bedeutsam ist, weil es hektische Versuche gegeben hatte, parallel eine „Erklärung von Aleppo“ zu veröffentlichen, die all jene unter einen Hut bringen sollte, die sich nicht an der „Erklärung von Damaskus“ beteiligt hatten. Gleichzeitig ist dieser Schritt aber auch ein Beweis dafür, wie unbedacht wichtige Fragen behandelt worden waren und wie schnell man von grundlegenden und entscheidenden Standpunkten abrückte.

 

Wirtschaft

Norbert Mattes: Syrien schaut Richtung Asien

Korrekte Daten über den Öl- und Gassektor in Syrien zu finden, bedarf einiger Bemühungen. Verantwortliche in diesem Bereich, bis zum Ölminister Ibrahim Hadad selbst, lassen gegenüber den Medien kaum etwas an konkreten Zahlen heraus. Arif Dalila, einer der kritischen syrischen Ökonomen, mit dem Abgeordneten Riyad Seif und anderen 2001 zu Gefängnisstrafen verurteilt und als einziger immer noch in Haft, hatte in seinen Beiträgen oder Vorträgen immer wieder darauf hingewiesen, daß Daten und Verträge des syrischen Ölsektors transparent gemacht und Einnahmen im Staatsbudget verbucht werden müßten. Medienvertreter beklagten sich im Dezember 2005 beim Informationsminister Mahdi Dakhlallah über die schlechte Zusammenarbeit zwischen Medien und Ministerien. Besser scheint die Zusammenarbeit mit TotalElfFina oder Vertretern aus Indien und China zu klappen. Fast zeitgleich mit dem Treffen der Medienleute bei Mahdi Dakhlallah waren Vertreter aus Asiens Topölländern in Syrien.

 

Zeitensprung

Werner Ruf: 20. März 1956 – Unabhängigkeit Tunesiens

Die Unabhängigkeit Tunesiens fällt in den Kontext des Niedergangs der britischen und französischen Imperialismen, die ihren durch den Zweiten Weltkrieg bedingten Abstieg zu zweitklassigen Mächten mit allen Mitteln zu verhindern suchten. Die Bandung-Konferenz hatte die Unabhängigkeit der vormaligen Kolonien gefordert, Großbritannien hatte Indien, Frankreich die Schlacht um Dien Bien Phu und Indochina verloren. Nach dem Militärputsch in Ägypten war Gamal Abdel Nasser zum Idol des arabischen Nationalismus aufgestiegen. In Algerien hatte am 1. November 1954 der Befreiungskrieg begonnen. Die Gewährung der Unabhängigkeit an Tunesien (und etwa zeitgleich an Marokko) ist daher auch zu verstehen als der Versuch Frankreichs, sich eine gewisse Entlastung zu verschaffen, zumal auch in den schwarzafrikanischen Kolonien die Forderungen nach Unabhängigkeit laut wurden. Tunesien und Marokko waren keine klassischen Kolonien sondern Protektorate, die unter französischer Vorherrschaft durchaus Elemente von Eigenstaatlichkeit, darunter der Erhalt ihrer Herrscherhäuser behalten hatten.

 

Ex Libris

Frank Renken: Bernhard Schmid, Algerien – Frontstaat im globalen Krieg? Neoliberalismus, soziale Bewegungen und islamistische Ideologie in einem nordafrikanischen Land.

Arno Schmitt: Mark LeVine: Overthrowing Geography: Jaffa, Tel Aviv, and the Struggle for Palestine, 1880-1948

Birgit Cerha: Ferdinand Hennerbichler: „Die Kurden“.

Martin Forberg: Sophia Deeg, Michèle Sibony, Michael Warschwaski (Hrsg.): Stimmen israelischer Dissidenten. Mit einem Vorwort von Ruth Fruchtman.

 

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