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Die YDG-H, eine mit der PKK assoziierte militante Jugendorganisation, leistet in einer Reihe von kurdischen Städten der Türkei seit mehreren Monaten bewaffneten Widerstand gegen die Staatsmacht. Barrikaden wurden errichtet und Gräben ausgehoben, um das Eindringen der Armee und der Polizei in Stadtviertel zu verhindern. Zum Mittel des bewaffneten Kampfes griff die YDG-H nach dem Bombenanschlag eines mutmaßlichen Anhängers des „Islamischen Staats“ in der türkisch-kurdischen Stadt Suruç. Das Anschlagsziel war ein Treffen zur Organisierung von Aufbauhilfe für die syrisch-kurdische Stadt Kobanê. 34 sozialistische Jugendliche wurden ermordet. Wenige Wochen später folgte ein Bombenanschlag auf eine Friedenskundgebung in Ankara mit über 100 Toten, ebenfalls durch einen mutmaßlichen Anhänger des IS. Die Unfähigkeit oder der Unwille der türkischen Regierung, diese und andere Anschläge, die sich allesamt gegen ihre Opposition richteten, aufzuklären, nähren den Verdacht einer aktiven Mitwirkung oder zumindest passiven Duldung. Passend dazu deuten die Ereignisse der vergangenen Monate auf eine koordinierte Kampagne mit dem Ziel, effektive Opposition in der Türkei zum Schweigen zu bringen. Regierungsnahe Medien überbieten sich gegenseitig in Gewaltandrohungen an Oppositionelle. Gerade erst gewählte BürgermeisterInnen kurdischer Städte werden zusammen mit Journalisten, die über Verstrickungen des Geheimdienstes in Waffenlieferungen an dschihadistische Gruppen in Syrien berichteten, verhaftet.
Angesichts der sich derart zuspitzenden Konfliktlage erklärte die YDG-H, das Leben der kurdischen Bevölkerung selbst schützen zu wollen. Die Konstellation ist neu, eine scheinbar nicht unmittelbar der PKK untergeordnete Stadtguerilla erhebt den Anspruch, ganze Städte militärisch verteidigen zu können. Legitimation erfuhr die Initiative der YDG-H durch ein öffentlich gewordenes Bild eines kurdischen Jugendlichen, der an beiden Armen an einen gepanzerten Polizeiwagen gebunden durch die Straße geschleift wurde. Die türkische Regierung lässt die betreffenden Städte mit wechselnder Intensität von der Armee belagern. Ausgangssperren werden verhängt. Die Bevölkerung wird teils über mehrere Wochen von jeder Versorgung abgeschnitten. Tausende Bewohner fliehen aus den belagerten Vierteln, die immer mehr wüsten Kriegsschauplätzen gleichen. Bilder von martialisch gekleideten Spezialkommandos, die Todesdrohungen ausstoßen, kursieren. Die Armee setzt anscheinend Panzer ein und wirft Bomben auf Wohnhäuser. Allein 44 Kinder sollen seit Beginn der Angriffe des Militärs ums Leben gekommen sein. Ein Ende der Repression und Gewalt ist nicht in Sicht, die politischen Wege zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Bewegung scheinen verstellt. (eb, inamo)