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»Antisemitismus-Diskurse«

Heft Nr. 92
Jahrgang 23, Winter 2017, 70 Seiten
Dezember 2017

Mit Beiträgen von:

Anna-Esther Younes, Farid Hafez, Peter Moskovitz, Sheryl Nestels, Fatima El-Tayeb Ahmed Abed, Jackie Walker, Mariam Puvogel Chakib, Sindyan Qasem, Werner Ruf, Roman Deckert, Anna Jikhareva, Heiko Flottau, Volker Nienhaus, Helga Suleiman, Jörg Tiedjen.

Inhalte im Schwerpunkt

Anna-Esther Younes: Zur Kritik westlicher Antisemitismus-Diskurse

Farid Hafez: Antisemitismus – Islamophobie – Der Stand der Disziplin

Islamophobie und Antisemitismus in einem Atemzug zu nennen schreckt selbst in der Wissenschaft noch Viele auf. Dabei sind die strukturellen, historischen und machtpolitischen Parallelen zum Teil frappierend. Farid Hafez analysiert davon ausgehend Islamophobie in ihrem Verhältnis zu Antisemitismus und ermöglicht so einen Tiefenblick in ihre Strukturen.

Peter Moskovitz: Universitäre Wissenschafts- und Meinungsfreiheit in den USA

Vergangenen September gab Simona Sharoni, Professorin für Geschlechterforschung an der SUNY Plattsburgh im Bundesstaat New York einem Online-Magazin ein Interview, in dem sie über die Notwendigkeit sprach, Feminismus und Geschlechterfragen mit der Bewegung für die Rechte Palästinas zu verbinden. Das Interview war für Professorin Sharoni nichts Außergewöhnliches. Schon häufig hat sie in der Vergangenheit ihre Kritik an Israel publik gemacht. Sie ist daran gewöhnt, auf ihre Gespräche und öffentlichen Kommentare Emails zu erhalten – Offenheit gegenüber gegnerischen Standpunkten ist Teil der akademischen Existenz. Diesmal aber ist etwas anderes geschehen.

Sheryl Nestels: Antisemitismus-Debatte an Universitäten in den USA

Sheryl Nestel spricht in einem Grundsatzreferat vor der Sociology and Equity Studies Student Research Conference im Mai 2011 an der Universität Toronto. Sie spricht über die Kontroverse, die ausbrach, als die hier am SESE entstandene Master-Arbeit von Jenny Peto, in der neoliberalen Presse unter breiten und heftigen Beschuss von Seiten konservativer und mit Israel sympathisierender Politiker sowie einiger Vertreter der organisierten jüdischen Gemeinschaft geriet. Sie sagt: „Es sind hier, glaube ich, einige Lektionen zu lernen über den Umgang mit unterschiedlichen Meinungen in akademischen Einrichtungen, die Zukunft fortschrittlicher Wissenschaft und Möglichkeiten diskursiven oder anderen Widerstands“.

Fatima El-Tayeb: Die deutsche Debatte um muslimischen Antisemitismus

In der Antisemitismus-Debatte werden jüdische und muslimische Deutsche als AntagonistInnen platziert, mit Mehrheitsdeutschen in der neutralen Vermittler- Erziehungsrolle. Durch die diskursive Gegenüberstellung von jüdischen und Mehrheits- »Deutschen« auf der einen und »Muslimen« auf der anderen Seite werden Islam und Antisemitismus sowohl als nicht zu Deutschland gehörig und als miteinander verbunden definiert, so Fatima El-Tayeb. Muslimischen Jugendlichen wird dabei die Rolle der AntisemitInnen untergeschoben, während die Mehrheitsgesellschaft von jedem Verdacht – auch historisch – des Antisemitismus freigesprochen wird.

Ahmed Abed: Antisemitismusvorwurf im Spiegel des Rechts

In seinem Artikel geht Ahmed Abed auf die juristische Dimension des Antisemitismusvorwurfs ein und zeichnet anhand aktueller Ereignisse nach, auf welch dünnem rechtlichen Fundament dieser Vorwurf oftmals steht und welche gravierenden persönlichen Konsequenzen der Vorwurf für die Betroffenen nach sich zieht.

Jackie Walker: Antisemitismusvorwürfe in der britischen Labour-Partei

Antisemitismusvorwürfe sind auch in der britischen Politik ein beliebtes Mittel, um Machtkämpfe auszufechten. Zu welchen Auswüchsen das im Zuge der Übernahme des Parteivorsitzes der Labour-Partei durch Jeremy Corbyn geführt hat, welche Rolle dabei die Medien spielten und wie sich eine langjährige Vorkämpferin gegen die Apartheid in Südafrika, Bürgerrechtsaktivisten und Schriftstellerin plötzlich im Fokus einer Schmutzkampagne innerhalb der Labour-Partei wiederfand, bezeugt in den folgenden Ausführungen Jackie Walker.

Mariam Puvogel Chakib/Sindyan Qasem: Rassistische Zuschreibungen an Berliner Jugendliche

Im Juli dieses Jahres bewarb das American Jewish Committee (AJC) öffentlichkeitswirksam eine Publikation zu „Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen“. Auf Grundlage von 27 – ausschließlich mit Lehrenden – geführten Interviews wird darin der Anspruch formuliert, Einstellungsmuster muslimischer Jugendlicher in Berlin zu dokumentieren. Zwar sei die Studie „keine repräsentative, systematische, statistisch ausgewertete Untersuchung“, jedoch könne sie „Einblicke in das wachsende Problem“ geben und ginge dabei „weit über das bisher Dokumentierte hinaus“.

Im AK wurde bereits eine gekürzte Fassung des Artikels veröffentlicht.

Inhalte im allgemeinen Teil

Gastkommentar

Fritz Edlinger: Libanon – Saudi—Arabien öffnet die Box der Pandora

Werner Ruf: Kapitalistische Entwicklung in Europa und Formen des Kolonialismus in Nahost und Nordafrika

Das 19. Jh. ist geprägt von der Durchsetzung des Kapitalismus in Europa. Vor allem die erste Hälfte des 19. Jh. ist gekennzeichnet durch die massenhafte Freisetzung von Arbeitskraft und die massive Verschlechterung der Lebensbedingungen des Proletariats, durch die Vernichtung kleinbäuerlicher Existenzen. Sie wurde begleitet von einem massiven Anstieg der Auswanderung v.a. nach Amerika. Dieser Auswanderungsdruck betraf auch die übrigen europäischen Länder, wobei hier – neben der Auswanderung in die „Neue Welt“ – auch der Kolonialismus als Ventil für die Entsorgung der „Überbevölkerung“ erschien.

Roman Deckert: Das Ende der Sudan-Sanktionen

Nach zwei Jahrzehnten haben die USA ihr kontraproduktives Embargo gegen Khartum aufgehoben. Gleichzeitig droht die Trump-Administration schärfere Strafmaßnahmen gegen den Südsudan an.

Anna Jikhareva: Grenzsicherung – Der neue Wettlauf um Afrika

Afrikanische Länder halten für die EU Geflüchtete von der Fahrt übers Meer ab. Eine Geschichte von militärischer Aufrüstung und verschobenen Verantwortlichkeiten.

Zeitensprung

Heiko Flottau: Von Sèvres nach Jerusalem – Mit Samson gegen Nasser?

Es gibt Orte, von denen ein fataler Einfluss auf den Gang der Geschichte ausgeht. Das, natürlich, liegt nicht an den Orten selbst, sondern an der Tatsache sich Politiker an solchen mondänen Stätten treffen, um über das Schicksal anderer Völker zu Gericht zu sitzen.  Das war im französischen Sévres so, dort beschlossen 1920 die Vertreter der Siegermächte des 1. Weltkrieges in Anwesenheit von Delegierten des Reiches die Auflösung eben dieses alten osmanischen Imperiums. Noch heute plagt die moderne Türkei die Angst vor der Intervention ausländischer Mächte in die innere Struktur des Landes. In derselben Stadt Sèvres trafen sich 36 Jahre später, im Oktober 1956 der französische und britische PM Gui Mollet und Anthony Eden und sein israelischer Kollege David Ben Gurion. Der ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel Nasser hatte den Suezkanal verstaatlicht und die drei Verschwörer unterzeichneten ein Geheimabkommen zur Rückeroberung des Suezkanals, was misslang.

EX MEDIIS

Aktham Suliman: Krieg und Chaos in Nahost (Werner Ruf)

Norbert Oberauer: Islamisches Wirtschafts- und Vertragsrecht – Eine Einführung (Volker Nienhaus)

Helmut Krieger – Magda Seewald VIDC (Hrsg.): Krise, Revolte und Krieg in der arabischen Welt (Helga Suleiman)

Omar Brouksy: La République de Sa Majesté. France-Maroc, liaisons dangereuses (Jörg Tiedjen)

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