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GASTKOMMENTAR

Matin Baraki: Geburtsstunde und Geburtshelfer der Taliban

 

SCHWERPUNKT: Golf Kooperationsrat

Adam Hanieh: Kartierung des Kapitalismus in den Staaten des Golf-Kooperationsrates (GCC)

In den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit dem Anstieg des Ölpreises 2000, haben sich die GCC-Staaten als eine Kernzone der politischen Ökonomie des Nahen Ostens erwiesen. Diese Staaten zeichnen sich durch zwei wichtige Eigenschaften aus, die sie von dem Rest der arabischen Welt abheben – zum einen durch die große Zahl von Arbeitsmigranten, die mindestens die Hälfte der Arbeitskräfte in allen GCC-Ländern stellen, zum anderen durch den Zugang zu beträchtlichen Finanzüberschüssen aus dem Verkauf von Kohlenwasserstoffen. Zusammen genommen haben die beiden Eigenschaften eine unverwechselbare Form des Kapitalisms in der Golfregion geformt – mit bedeutenden Auswirkungen auf die gesamte arabische Welt.

 

Leonie Holthaus: Regimelegitimität, Arbeits-und Menschenrechte, und die FIFA WM 2022 in Qatar

Die Persistenz der arabischen Golfmonarchien, trotz des sogenannten „arabischen Frühlings“ (2010-11), ist bemerkenswert. Zwar gab es am arabischen Golf Proteste gegen autoritäre Herrscher, doch erreichten diese, mit Ausnahme von Oman und besonders Bahrain, nicht die gleiche Intensität wie in anderen arabischen Staaten. Und auch in Bahrain führten die Proteste nicht zum Sturz der Monarchie. Somit stellt sich erneut die Frage nach den Gründen für das Überleben und die Legitimität der monarchischen Regime. Normative Betrachtungen, die von der Illegitimität nicht-demokratischer Regime und einer früher oder später einsetzenden Transformation hin zur Demokratie ausgehen, werden dabei seit der Einräumung der Konzepte ‚autoritärer Legitimität‘ oder ‚autoritärer Konsolidierung‘ weitgehend ausgespart. ‚Autoritäre Legitimität‘ setzt am Legitimitätsglauben der Bürger an und fragt, warum diese  ein nicht-demokratisches Regime als rechtmäßig ansehen könnten.

 

Marc Valeri: Herrschaft auf dem Prüfstand – Legitimationsstrategien in Bahrain und Oman

Nach Beginn des „arabischen Frühlings“ 2011 waren Bahrain und Oman die beiden Länder am Persischen Golf, in denen die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen am lautesten geäußert wurde. Zumal die beiden Staaten nur über vergleichsweise begrenzte Vorkommen an fossilen Brennstoffen verfügen, waren sie wesentlich früher als die anderen Golf-Monarchien gezwungen, die Weise, wie sie ihren Machterhalt sichern, neu zu überdenken und das altgewohnte Herrschaftsmodell, in dem Loyalität durch Verteilung der Öl- und Gaseinkünfte erkauft wird, zu ersetzen. Zwar hatten die Revolten der vergangenen Jahre keinen politischen Wandel in Bahrain und Oman zur Folge. Nichtsdestotrotz wurde die Legitimität dieser autokratischen Regime tiefgreifend und nachhaltig in Frage gestellt.

Abdulhadi Khalaf: Unsichere Staatsbürgerschaft in den GCC-Staaten

Amnesty International zufolge bestrafen die Regierungen der GCC-Länder die Aktivisten, um sie einzuschüchtern und davon abzuhalten von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Das Verhältnis zwischen Bürger und Staat ist oft von gegenseitiger Verachtung geprägt, „weil sie nie eine vernünftige und gerechte Beziehung ausgehandelt haben, mit der Maßgabe, dass die Ausübung staatlicher Macht dem Wohl der ganzen Gesellschaft zu dienen hat”. Die Staatsangehörigkeit ist lediglich nur eine Auszeichnung, die der wohlwollende Monarch loyalen Untertanen verleiht.

 

Anna Sunik: Die Außenpolitik der GCC-Staaten – Eine Fata Morgana von Einigkeit

Als wirtschaftskräftiger regionaler Staatenbund bietet der Golfkooperationsrat (GCC), eine intergouvernementale Organisation mit sechs Mitgliedsstaaten, ein attraktives Ziel für Vergleiche mit der EU an. Meist verschleiern diese Vergleiche mehr als sie beleuchten, doch in einem Punkt sind sie aufschlussreich – der Frage nach der Existenz einer gemeinsamen Außenpolitik. Gegründet am 25. Mai 1981 als Antwort auf zahlreiche regionale Ereignisse, v.a. aber die Islamische Revolution im Iran 1979, verkörperte der Golfkooperationsrat (GCC) somit schon seit Beginn keine positive Integrationsidee, sondern eine Reaktion auf eine gemeinsame Bedrohung. Seitdem entwickelte sich, wie zu Beginn der EU (bzw. EWG), mit der Zeit eine starke wirtschaftliche Verflechtung. Von einer gemeinsamen Außenpolitik kann allerdings nicht die Rede sein. Eine beinahe ironische Wendung, wenn man bedenkt, dass außenpolitische Herausforderungen die Ursache für die Gründung darstellten.

 

Sabine Damir-Geilsdorf: Arbeitsmigration in die GCC-Staaten und das Kafala-System: Neue Formen von „unfreier“ Arbeit?

Die Länder des Golfkooperationsrats (Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinte Arabische Emirate) gehören zu den Regionen, in denen weltweit die meisten Migranten leben. Die meisten kommen aus Südasien und Südostasien mit befristeten Arbeitsverträgen und hoffen, während ihres Aufenthalts Geld anzusparen und/oder durch Rücksendungen Familienangehörige in ihren Heimatländern zu unterstützen.

Diese Arbeitsmigranten kommen freiwillig. Insbesondere gering qualifizierte Arbeiter geraten jedoch durch das in den Golfstaaten vorherrschende Kafala-System sowie Agenturen, Mittelsmänner und Geldverleiher, die sowohl dort als auch in den Entsendeländern auch auf illegale Weise Gewinn aus der Rekrutierung erzielen, oft in Schuldknechtschaft und neue Formen unfreier Arbeit.

 

Toby Matthiesen: Regierung und Opposition im Nahen Osten: Die Vereinbarung zwischen der saudischen schiitischen Opposition und König Fahd von 1993

Die Amnestie-Vereinbarung von 1993 zwischen der saudischen schiitischen Opposition und König Fahd stellt einen der wichtigsten Meilensteine im Verhältnis zwischen den schiitischen Staatsbürgern und der saudischen Herrscherfamilie dar. Doch sie ist weiterhin eines der umstrittensten Themen innerhalb der saudischen schiitischen Gemeinschaft, und verschiedene politische Akteure haben sich in unterschiedlicher Weise dazu positioniert. Der 1993-Deal vereinnahmte den Mainstream der Opposition und stellte die Notabeln-Familien kalt, die traditionell die Hauptgesprächspartner des Staates in schiitischen Gegenden waren. Aber gleichzeitig hat er das Feld oppositioneller Politik neuen Gruppen geöffnet. Diejenigen, die die Bedingungen des Deals kritisierten, haben ihre oppositionellen und manchmal militanten Aktivitäten fortgesetzt, und wurden zu Anführern einer neuen Protestbewegung, die seit 2011 als Teil der arabischen Erhebungen begann.

 

LIBANON/FLÜCHTLINGE

Ray Smith: Nahr al-Bared: Wiederaufbau in der Schwebe

Für den Wiederaufbau des palästinensischen Flüchtlingslagers Nahr al-Bared im Nordlibanon fehlt das Geld. Tausende Flüchtlinge warten auch sieben Jahre nach dem Krieg noch darauf, ins Camp zurückkehren.

 

Bassam Haddad: Syrische Flüchtlinge im Libanon: Rassimus, Allianzen und Elend.

Ein Gespräch zwischen Moe Ali Nayel und Bassam Haddad

Das Interview behandelt die Frage der syrischen Flüchtlinge im Libanon, ihren Status im komplexen Umfeld und wie die Verteilung der Flüchtlinge in die verschiedenen Regionen den Libanon beeinflusst. Teilweise werden sie zu Sündenböcken gemacht, insbesondere wenn libanesische Unternehmer sie zum Billiglohn ausbeuten und die libanesischen Arbeiter entlassen. Aber der syrische Mittelstand hat auch eine Menge Geld mit ins Land gebracht, was dann allerdings auch Auswirkungen auf Miet- und Preissteigerungen hatte. Was nicht allein den Syrern anzulasten ist. Der Staat ist nicht bereit, irgendwelche Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen.  Seit langem schon vernachlässigt er die verarmten Stadtteile mit seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik. Die Haltung der Armen, „Du nimmst, was mir gehört; Du nimmst einen Teil dessen, was vorher meiner Familie und mir zustand,“ wendet sich dann gegen die syrischen Flüchtlinge. Was zu einer hochexplosiven Situation führen kann.

 

Katy Montoya: Werden die syrischen Flüchtlinge in Jordanien zu einem Sicherheitsproblem?

Nach der Hinrichtung des jordanischen Kampf-Piloten durch den IS, wird auch Jordanien immer nervöser, und würde gerne die Verstrickung in diesen Konflikt reduzieren, aber bis jetzt ist kein Ende dieses „hartnäckigen Krieges“ in Sicht. Wird das jordanische Regime weiterhin die FSA unterstützen oder gibt es Kräfte, die eine Annäherung an das syrische Regime planen. Feststellbar ist, wie Katy Kontoya dies beschreibt, dass Flüchtlinge zu Rückkehr ersucht wurden, dass Rehabilitationszentren und syrische Krankenhausabteilungen geschlossen und kostenlose medizinische Betreuung gestrichen wurde.

 

PALÄSTINA/ISRAEL

Jonathan Cook: Zochrot – Die Suche nach der Wahrheit über die Nakba

Die Zusammenkunft der Kommission, die keinen offiziellen Status hat, könnte das erste von mehreren derartigen Ereignissen in Israel sein, um Gräueltaten und Kriegsverbrechen, die an verschiedenen Orten begangen wurden, zu untersuchen, so zumindest Liat Rosenberg, die Leiterin von Zochrot.
Die erste “Wahrheits-Kommission” in Israel überhaupt, die am 17.12. 2014 zusammengetreten ist, wird Geständnisse israelischer Kämpfer des Kriegs von 1948 hören. Es ist zu erwarten, dass sie Kriegsverbrechen zugeben werden, begangen während der Vertreibung von Hunderttausenden von Palästinensern. Die Kommission ist der Höhepunkt von mehr als einem Jahrzehnt erbitterter Auseinandersetzungen zwischen einer kleinen Gruppe von Aktivisten namens Zochrot, dem hebräischen Wort für „Erinnern“, und den israelischen Behörden sowie einem Großteil der jüdischen Öffentlichkeit.

 

Clemens Messerschmid: Fakten über die Ressource Wasser

2013 erschien der erste Wasserbericht der palästinensischen Rechts-NGO Al-Haq mit dem Titel „Water for one poeple only“, in ihm wird der Apartheitscharakter im Wassersektor betont.  Israel hat die Vorherrschaft in der Verteilung und Verwaltung der Wasserressourcen der West Bank. Die Weltbank hat einen vielbeachteten, umfangreichen und genauestens recherchierten Bericht  über Hemmnisse der palästinensischen Wassersektor-Entwicklung herausgegeben. Clemens Messerschmid behandelt diese Hemmnisse und untersucht die Faktoren Besatzung und Wasser.

 

SYRIEN

Joshua Landis: Analyse und Prognose

Syrien wird sich im Jahr 2015 weiter aufspalten. Solange die Vereinten Nationen und die internationalen Kräfte Syrien im Stich lassen und es der Opposition weiterhin nicht gelingt, sich zu vereinigen, ist die “Somalia-isierung” des Landes unvermeidlich.  Die vier stärksten Kräfte in Syrien sind die Asad-Regierung, der IS, die Nusra-Front und die Kurden. Bis zu 95% des syrischen Territoriums verteilen sich auf diese vier Kräfte. Die Asad-Regierung herrscht über 45% des Landes und rund 65% der Bevölkerung. Der IS hat 35% des Landes unter seiner Kontrolle, aber weniger als 3 Millionen Menschen. Die Kurden haben die Kontrolle über etwa 8 oder 9% des Landes und die Nusra-Front über weitere 5%. Somit entfallen die restlichen 5% auf Hunderte zusätzlicher Milizen, doch in manchen Gebieten “kann keine FSA-Fraktion ohne Zustimmung der Nusra-Front agieren”. Im Jahr 2014 handelte es sich [dabei] mehrheitlich um Jihadisten.

 

Muriel Asseburg und Heiko Wimmen: Die syrische Interimsregierung vor dem Aus

 

SUDAN/SÜDSUDAN

Roman Deckert: Über Sanktionen und Stabilität

Die sudanesische Diplomatie balanciert die geostrategischen Interessen in der Region und betreibt eine Charmeoffensive gegenüber dem Westen, um den Status eines Schurkenstaates loszuwerden.

 

WIRTSCHAFTSKOMMENTAR

Manfred Kriener: Ein Sturz mit bösen Folgen

Der Ölpreis fiel in sieben Monaten von 115 auf unter 50 Dollar und löste schwere Turbulenzen aus.

 

ZEITENSPRUNG

Stefan Ihrig: Der Prozess gegen Soghomon Tehlirian

Heute so gut wie vergessen fand Anfang der 1920er Jahre in Deutschland eine Jahre anhaltende Debatte über den Genozid an den Armeniern statt. Der Prozess gegen den Armenier Soghomon Tehlirian in Berlin-Moabit im Juni 1921 wurde zum Höhepunkt dieser Auseinandersetzung mit der eigenen jüngsten Kriegsvergangenheit. Dieser Prozess war einer der spektakulärsten des 20. Jahrhunderts, in vielerlei Hinsicht. Nicht nur wurde er zu einem der ersten Genozidprozesse (das Konstantinopler Kriegsverbrechertribunal kurz zuvor könnte als der erste gesehen werden), sondern der offensichtliche Mörder Talât Paschas wurde sogar freigesprochen.

 

NACHRUF

Barbara Winckler: Assia Djebar (1936-2015)

 

EX MEDIIS

Achille Mbembe: Kritik der schwarzen Vernunft (Mischa Suter)

Joseph Massad: Desiring Arabs (Barbara Eder)

Charlotte Wiedemann: Mali oder das Ringen um Würde (Jörg Tiedjen)

Corry Guttstadt (Hg.): Wege ohne Heimkehr. Die Armenier , der Erste Weltkrieg und die Folgen (Ismail Küpeli)

 

NACHRICHTEN/TICKER: Palästina, Israel, Marokko, Syrien