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Gastkommentar

Axel Goldau

Die Westsahara, the worst of the worst…

 

Ägypten: Regimetausch

Die ägyptische Verfassung

Von Anja Schoeller-Schletter

Die neue, post-revolutionäre ägyptische Verfassung entstand im Kontext eines heftigen politischen Machtkampfes. Auf der einen Seite standen die ‚Islamisten‘, auf der anderen sammelten sich alle anderen politischen Gruppierungen, Liberale, Linke, Nasseristen und Anhänger des alten Regimes. Mit dem Preis einer tiefen gesellschaftlich-politischen Spaltung wurde der von der Opposition heftig kritisierte Verfassungsentwurf im Dezember 2012 in einem Referendum mit 63,4% Ja-Stimmen (bei einer Wahlbeteiligung von 32,9%) angenommen und damit in Kraft gesetzt. Der politische Machtkampf, der sich in erster Linie am Verfahren der Bestimmung der Mitglieder und der Zusammensetzung der Verfassunggebenden Versammlung entzündete, hatte lange Zeit den Blick auf die Verfassung selbst weitgehend verstellt. Der folgende Beitrag setzt sich mit den tatsächlichen Inhalten des Dokuments auseinander und identifiziert erste Tendenzen der Verfassungskonkretisierung.

 

Ägypten: Und täglich ruft die Wahlurne

Von Florian Kohstall

Würde man den Transformationsprozess in Ägypten danach bewerten, wie oft die Bürger seit dem Sturz Mubaraks an die Urnen gerufen wurden, fiele die Bilanz sicherlich positiv aus. Innerhalb von zwei Jahren organisierten der von Februar 2011 bis Juni 2012 regierende Oberste Militärrat und der seither regierende Staatspräsident Mohammed Mursi insgesamt fünf Wahlgänge: Zwei Volksreferenden, eine Präsidentenwahl und die vier Monate lang andauernden Wahlen des Unter- und Oberhauses. Im Februar 2013 kündete Präsident Mursi bereits den nächsten Wahlmarathon an.

 

Ägyptens Wirtschaft: Keine Rettung in Sicht?

Amr Adly

Die ägyptische Revolution ereignete sich nicht im luftleeren Raum, sondern vor dem Hintergrund der schwersten wirtschaftlichen Krise seit den späten Achtziger Jahren, die durch die Wirren nach dem Sturz Mubaraks noch verschärft wurde. Um der Not zu entkommen, setzt die Regierung auf einen IWF-Kredit, über den seit zwei Jahren verhandelt wird. Doch dieser würde den endgültigen Zusammenbruch der ägyptischen Wirtschaft nur aufschieben. Außerdem birgt er die Gefahr, dass das Land zusätzlich in den Teufelskreis der Verschuldung gerät. Dringend erforderlich sind daher maßgeschneiderte Lösungen und ein gesellschaftlicher Konsens zu ihrer Durchsetzung. Die Regierung hat sich aber als unfähig erwiesen, über den Status quo hinauszudenken und auch nur minimale Kursänderungen zu veranlassen. Die Opposition wiederum steht ihr an Planlosigkeit in nichts nach und scheint angesichts der kommenden Wahlen nur darauf zu hoffen, dass ihre Gegner an den schier unüberwindlichen Schwierigkeiten scheitern.

 

Arbeiter, Gewerkschaften und Ägyptens politische Zukunft

von Joel Beinin

Im Jahrzehnt vor dem Aufstand gegen die Herrschaft von Husni Mubarak gab es die ausgedehnteste Streikwelle, die Ägypten seit 1952 erlebt hatte. Die Streiks fanden in einer Zeit statt, als durchschnittliche ägyptische Haushalte in großer wirtschaftlicher Not waren, da die Löhne vor dem Hintergrund der beschleunigten neoliberalen Wirtschaftspolitik des Mubarak-Regimes nicht mit den steigenden Lebenshaltungskosten Schritt halten konnten. Da „Brot“ und „soziale Gerechtigkeit“ bei den Aufständen die zwei grundlegenden Forderungen waren, neben „Freiheit“, erwarteten viele Ägypter, dass Mubaraks Sturz und die demokratische Wahl eines neuen Präsidenten ihre wirtschaftliche Not etwas lindern würden.  Den Aktivitäten der Arbeiterschaft nach zu urteilen wurden die Erwartungen jedoch enttäuscht. Tatsächlich hat die Streikwelle gerade wieder einen Höhepunkt erreicht, mit 1400  Arbeitsniederlegungen und weiteren Arbeiterprotesten im Jahr 2011 und noch einmal mehr im Folgejahr.

 

Shabab al-thaura: Die symbolische Macht der ägyptischen Revolutionsjugend

Von Sarah Wessel

Während vor der „25. Januar Revolution“ die Jugend überwiegend als passiv und unpolitisch angesehen wurde und in der Regel nur im Kontext eines massiven demographischen Entwicklungsproblems rezipiert wurde, wendete sich dieses Bild nach den Umbrüchen um 180 Grad: Die shabab al-thaura, die ägyptische Revolutionsjugend, gilt als diejenige Gruppe, die die Revolution initiiert und durchgesetzt hat. Der Ausdruck shabab al-thaura steht seitdem für eine politisch aktive und selbstbestimmte Bevölkerungsgruppe, die offenbar keine Differenzierung nach sozialen oder ökonomischen Kriterien kennt.

 

Frauenschwestern und Muslimbrüder: Parallelen

Von Gihan Abou Zeid

Die Schwindelerregenden Wahlsiege der Muslimbrüder und Salafisten haben der ägyptischen Frauenrechtsbewegung eine bittere Lektion erteilt. Verwundert reibt sie sich die Augen und muss sich eingestehen, dass es dem politischen Islam gelungen ist, überall in der ägyptischen Gesellschaft Wurzeln zu schlagen. Vor allem verfügt er in der Masse der Bedürftigen über eine solide Basis, während ihr selbst der Boden unter den Füßen zu entgleiten droht. Sie braucht daher dringen eine neue Strategie und sie braucht neue Methoden. Es reicht nicht aus, alle Jahre zum Weltfrauentag ein paar Seminare, Filmvorführungen und Ausstellungen zu veranstalten, auch wenn sie eine noch so gute Presse finden. Die Frauenbewegung muss aus ihrem Elfenbeinturm heraus und mit ihrer Arbeit ebenfalls ganz unten beginnen, auch wenn ihre Mittel und Möglichkeiten im Vergleich zu den Religiös-Konservativen zunächst begrenzt erscheint.

 

Mursi auf Reisen: Alte Seilschaften, neue Netzwerke

 

Von Thomas Demmelhuber

Mit Amtsantritt im Sommer 2012 verkündete der ägyptische Präsident Mursi nicht nur ein ehrgeiziges innenpolitisches Programm. Er kündigte auch eine selbstbewusste außenpolitische Neupositionierung des Landes an. Eine erste Bilanz der Außenpolitik unter Mursi fällt aber ernüchternd aus: Die Präsidentschaft Mursi verfügt derzeit nicht über die Kapazitäten für eine Formulierung einer proaktiven Außenpolitik. Jenseits symbolischer Gesten sind es die realpolitischen Zwänge der Regierung in Kairo, welche derzeit wenig Spielraum für eine „Außenpolitik der Optionen“ jenseits der traditionellen Pfeiler ägyptischer Außenpolitik, bieten.

Scharf wie ein Skalpell – Der ägyptische TV-Satiriker Bassem Youssef
Von Martina Sabra

Kekse, Limo, Autos, Kartoffelchips – Werbeclips bis zur Schmerzgrenze. Doch just in dem Moment, da man abschalten möchte, ist ER wieder da. „Sind Sie live dabei? Dann herzlichen Glückwunsch! Sie sind wirklich leidensfähig, denn Sie haben gerade einen der längsten Werbeblöcke der Fernsehgeschichte ertragen“, begrüßt Bassem Youssef die Zuschauer.

Ausschnitt aus „El Barnameg“, Staffel 2/Folge Nr. 5, Teil 2 , Erstausstrahlung: 21.12.2013 (pdf)

 

ALLGEMEINER TEIL

Beten in der St. Drohnen-Kirche

Von Tom Engelhardt

Tom Engelhardts Satire kritisiert schonungslos den von der US-Regierung geführten Drohnenkrieg. Zwar wäre „der Staat als Mörder“ in der US-Geschichte nichts neues, Mordkomplotte des CIA  (gegen Fidel Castro, Patrice Lumumba usw.)  hätte es schon früher gegeben, doch hätte man es jetzt mit einer regelrechten „Tötungsmaschinerie“ zu tun; die grundlagebildende Todesliste dazu mit den Terrorverdächtigen wird vom Oval Office abgesegnet. Das Ergebnis davon kann man in Pakistan und Jemen verfolgen.

 

Mali: Schmerzhaftes Erwachen

Mit Boubacar Boris Diop sprach Souleymane Ndiaye

Als Souleymane Ndiaye und Boubacar Boris Diop dieses Interview verabredeten, hatten sie eigentlich vor, über ganz andere Themen zu sprechen. Doch dann wurden sie von den Ereignissen in Mali eingeholt, wo am 11. Januar die französische „Operation Serval“ begonnen hatte. Ihr Ausgang ist nach wie vor ungewiss, zumal es wenige verlässliche Nachrichten aus dem Kriegsgebiet gibt. Dennoch scheint Frankreich zumindest eines auf erstaunliche Weise gelungen: auch kritische Stimmen für das eigene Vorgehen zu gewinnen und die Reihen hinter sich fest zu schließen. Anders Diop, der nicht nur an die zwiespältige Rolle erinnert, die Frankreich im Mali-Konflikt von Anfang an einnahm. Veröffentlicht genau in jenem Moment, da die Präsidenten Hollande und Traoré sich anschickten, in Timbuktu ihren Sieg zu feiern, gelangt seine Analyse mehr noch zu dem Schluss, dass es gerade die Militärintervention ist, die vollends zu zerstören droht, was sie zu verteidigen vorgibt: die Einheit und Unabhängigkeit Malis.

 

Palästinenser in Jordanien und die Aberkennung der Staatsbürgerschaft

Hazem Jamjoum interviewt Anis F. Kassim

 

AK: Am 19. Mai 1948 erreichte die jordanische Armee jene Gebiete Zentralpalästinas, die die zionistischen Truppen nicht hatten einnehmen können, und begann, diese rechtlich in das Königreich Jordanien einzugliedern. Im Rahmen diese Prozesses ergänzte der jordanische Ministerrat am 20. Dezember 1949 das Staatsbürgerschaftsrecht von 1928 dahingehend, dass alle Palästinenser, die bei Inkrafttreten des Gesetzes in Jordanien Zuflucht gesucht hatten oder in den westlichen, nun von Jordanien kontrollierten Gebieten verblieben, in vollem Unfang jordanische Staatsbürger wurden. Das Gesetz unterschied nicht zwischen palästinensischen Flüchtlingen aus den von Israel 1948 besetzten Gebieten und Palästinensern in dem Gebiet, das die jordanischen Behörden 1950 in „Westjordanland“ umbenannten.

 

 

Die Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait. Ein Bilanz

Von Toufic Haddad

 

Die Geschichte der Palästinenser in Kuwait spiegelt bis in die kleinste tragische Fußnote die allgemeinen Erfahrungen der Palästinenser wider. Dennoch ist das, was wirklich vor Ort geschah – von der grundlegenden Rolle der Palästinenser bei der Entstehung dieses jungen arabischen Staates bis zu ihrer rücksichtslosen Vertreibung – kaum untersucht worden. Für die Recherche für diesen Artikel ließen sich auf Englisch nur eine Handvoll wissenschaftlicher Aufsätze zum Thema finden. Vielen dieser Aufsätze fehlt der Blick für das „große Ganze“ und stattdessen versuchen sie, die Ereignisse aus dem Kontext historischer und politischer Prozesse und ihnen zugrundeliegender Ideen herauszulösen sowie die Bedeutung der Ausweisung der Palästinenser aus Kuwait zu relativieren.

 

 

Palästinenserviertel Yarmuk mitten im syrischen Krieg

Mit Moutawali Abu Nasser sprach Moe Ali Nayel

Yarmuk ist das größte palästinensische Flüchtlingslager in Syrien, und doch beschreibt der Begriff „Füchtlingslager“ es nur unzutreffend. 1957 gegründet, hat es sich zu einem eigenen Stadtteil von Damaskus entwickelt, der lange als sicherer Hafen für politisch Verfolgte galt und bei den Syrern wegen seiner lebendigen palästinensischen Kultur beliebt war. Doch gerade einmal 8 km vom Stadtzentrum entfernt, ist es zwischen die Fronten der Regierungstruppen und der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) geraten. So haben die meisten der einstmals 135.000 Palästinenser, die in Yarmuk lebten, das Lager inzwischen verlassen, wie der 38-jährige Moutawali Abu Nasser, der nach einem Ultimatum der syrischen Armee im vergangenen Dezember in den Libanon geflohen ist. Dort sprach „Electronic Intifada“ mit ihm über die Geschehnisse seit Ausbruch der syrischen Revolution.

 

Ein weiterer Akt im jordanischen Demokratietheater – Die Wahl zum 17. Parlament

Von Malika Bouziane

In den ersten Wahlen seit Beginn der Protestwelle in Jordanien 2011 entstand ein Parlament, das erwartungsgemäß größtenteils auf Basis tribaler Loyalitäten gewählt wurde und sich aus regimetreuen Konservativen und neoliberalen Geschäftsleuten zusammensetzt. Da die meisten Veränderungen im Wahlprozess von Aktivisten wie Bevölkerung als Kosmetik verstanden werden, haben die Wahlen die politische Apathie und Unzufriedenheit nunmehr verstärkt.

 

Die Wahlen in Jordanien: Ein weiterer Schritt rückwärts

Von Hisham al-Bustani

Ein Sieg des Regimes und der Clans, eine Niederlage der Linken und eine Neuauflage des alten, seinerzeit wüst beschimpften Parlaments: Das war das Ergebnis der vergangenen Wahlen, jener „Hochzeit der Demokratie“, die König Abdallah II. als „entscheidenden Moment im jordanischen Frühling“ dargestellt hatte, applaudiert und gepriesen von den Kräften der nationalistischen und neuen/alten linken Opposition (außer den Kommunisten, der Partei der Volkseinheit und der unabhängigen Linken), die zu Hauptalliierten des Regimes wurden und wohl glaubten, dass sie einen guten Anteil der Sitze bekommen würden, da ja die Muslimbrüder den Urnengang boykottierten.

 

Walzer mit Bashir und Kiir

Von Roman Deckert und Tobias Simon

Sudan und Südsudan haben sich auf eine politische Lösung ihrer Konflikte geeinigt – wieder einmal. Zugleich wachsen die Repressionen in beiden Staaten.

 

Syrische Kurden: Der andere syrische Aufstand

International Crisis Group

Am Rande des eskalierenden Kampfes zwischen den regierungstreuen und aufständischen Lagern in Syrien zeichnet sich in den überwiegend kurdischen Gebieten im Norden und Nordosten des Landes ein schwelender und komplexer Konflikt ab. In diesem Konflikt stehen sich Anhänger der Kurdischen Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistan, PKK), die seit Beginn der 1980er Jahre einen Aufstand gegen den türkischen Staat führt, und rivalisierende kurdische Gruppen gegenüber, die sich in dem von der irakischen Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) unterstützten Kurdischen Nationalrat (KNC) locker zusammengeschlossen haben.

 

WIRTSCHAFTSKOMMENTAR

Rassismus bei der Weltbank

Von Phyllis Muhammad

Seit Jahrzehnten verweigert die Führungsstruktur der Weltbank dem afrikanischen Kontinent eine eigene Stimme. Für sich genommen schon schlimm, aber wirklich  ungeheuerlich sind die tiefsitzenden Vorurteile gegenüber Schwarzen, die in der Personalpolitik der Weltbank erkennbar sind.

ZEITENSPRUNG

Die deutschen Behörden und der Mord an Saleh Ben Youssef

Von Tobias Mörike

Am 12. Oktober 1961 wurde der Führer der tunesischen Opposition, Saleh Ben Youssef, in Frankfurt am Main ermordet. Seine Ermordung gleicht mehr der Chronik eines angekündigten Todes als der eines verworrenen Kriminalstücks. Bereits kurz nach seiner Ermordung kursierten Spekulationen (Reuters, The Guardian 15. August 1961), dass Tunesiens Präsident Habib Burgiba den Mord befohlen habe. Im Jahr 1975 gestand Burgiba öffentlich in einer Rede am 15. Dezember 1973, den Mordbefehl gegeben zu haben. Erwähnt wird das in der Biographie Bourgibas von 1981 (Hayati. Tunis Ministere de l´information).

 

 

Werner Ruf zu Aissa Halidou in Heft 72: „Entwicklungshilfe in Afrika“

Ex Mediis

Jörg Tiedjen: Doris Götting, „Etzel“. Forscher, Abenteurer und Agent. Die Lebensgeschichte des Mongoleiforschers Hermann Consten (1878-1957)

Norman Paech: Gerd Hankel, Das Tötungsverbot im Krieg. Ein Interventionsversuch.

Nils Fischer: Shereen El Feki, Sex und die Zitadelle. Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt

Nadine Kreitmeyer: Holger Albrecht/Thomas Demmelhuber (Hrsg.), Revolution und Regimewandel in Ägypten

Malcolm Sylvers: Judith Butler, Parting ways. Jewishness and the Critique of Zionism

Nachruf

Akiva Orr (1931-2013)

Von Lutz Fiedler

Nachrichten/Ticker