+49 (0)30 / 864 218 45 redaktion@inamo.de

Gastkommentar

Der politische Masterplan des Militärs
Von Heiko Flottau

Syrien Endspiel

Abd al-Rahman al-Kawakibi im Spiegel der syrischen Aufstände

Von Jens Heibach & Inana Othman

Das Leben eines freien Hundes sei besser als das Leben eines Löwen in Ketten, schrieb ‘Abd al-Rahman al-Kawakibi vor über hundert Jahren, vielleicht mit etwas zu viel Pathos für unseren heutigen Geschmack. Dass aber nachfolgende Generationen von Syrern vor allem damit beschäftigt sein sollten, den Löwen (arab. asad) in Ketten zu legen, konnte der gebürtige Aleppiner beim Verfassen dieser Zeilen natürlich nicht ahnen. Die syrischen Protestierenden jedenfalls nehmen ihm diese aus der Retrospektive leicht missverständliche Formulierung nicht übel. Im Gegenteil, Kawakibi steht in Syrien wieder hoch im Kurs. Er ist einer der Intellektuellen, über dessen Schriften gerade in diesen Tagen diskutiert wird. Dies zeigt allein ein Blick ins Internet. Auf zahlreichen Foren werden seine Werke gepostet und besprochen, revolutionäre Webpräsenzen berufen sich auf ihn.

 

 

Was ist Despotie?

Von Abd al-Rahman al-Kawakibi

Die hier abgedruckten Auszüge sind dem gleichnamigen Kapitel (Ma huwa al-istibdad?) entnommen. Die Übersetzung folgt der 2006 in Beirut bei Dar al-Nafa’is erschienenen Auflage von Tabai’ al-istibdad wa masari al-istibad, S. 37-44. Teile von Die Eigenarten der Despotie und die Stätten der Versklavung wurde zum ersten Mal in der einflussreichen Zeitung al-Mu’ayyad 1899 in Kairo veröffentlicht.

 

 

 

Das angebliche „Projekt Alawitenstaat” in Syrien

Von Abdallah Hanna

Unter dem Titel „Projekt Alawitenstaat“ veröffentlichte die libanesische Al-Nahar am 23.10.2011 ein Dokument, das dem französischen Außenministerium am 15. Juni 1936 zugegangen war. Es war unterzeichnet von sechs führenden alawitischen Persönlichkeiten, die die damalige französische Mandatsregierung in dem genannten Schreiben darum baten, die alawitischen Gebiete Syriens in dem Vertrag, der mit der syrischen Verhandlungsdelegation in Paris ausgehandelt wurde, nicht dem syrischen Staatsgebiet zuzuschlagen. In der Einleitung zur Dokumentation schreibt der Herausgeber der Zeitung Anton Saab: „Aus diesem historischen Dokument geht hervor, dass das Projekt der Errichtung eines Alawitenstaates in Syrien schon viele Jahrzehnte alt ist.“ Auffällig ist jedoch, dass der Herausgeber von den Unterzeichnern des Dokuments lediglich Salman al-Asad (den Großvater des heutigen Präsidenten Bashar al-Asad) erwähnt und alle übrigen ungenannt lässt.

 

„Wir sind zur Hoffnung verdammt“ (Sadallah Wanus)

Hafez al-Asads Überlebensstrategie: Repression

Von Norbert Mattes

30 Jahre Herrschaft Hafez al-Asads, 30 Jahre Diktatur, 30 Jahre Geheimdienststrukturen, 30 Jahre im Dschungel der Überwachung, 30 Jahre Repression, 30 Jahre Warten auf Bashar. Der perfekte Ausbau des Repressionsapparates fällt zusammen mit der Zerschlagung der säkularen und islamischen Opposition im Jahre 1982 nach den Kämpfen in Hama. Danach folgte für Asad eine relativ oppositionsfreie Herrschaft. Doch wird, wie Kogon schreibt, der „Despot und sein terroristischer Anhang“ stets Widersacher finden. Dies bekam der „Alte“ nicht mehr zu spüren, dafür sein Nachfolger und Erbfolger Bashar.

 

Anmerkungen zu den syrischen Aufständen

Von Omar S. Dahi

Was ist erreicht worden durch die Aufstände, fragt Omar Dahi? Wie ist die Strategie der Aufstände? Welche Fehler wurden gemacht? Welche Rolle spielt die Freie Syrische Armee? Die syrischen Revolutionäre befinden sich in der Klemme zwischen einer „Tötungsmaschine und deren Verbündeten und der erklärten Unterstützung syrischer Menschenrechte seitens des autokratischen Regimes“ in Saudi-Arabien . Doch eins ist nach Dahi bereits gelungen: der Regierungsgewalt und der Regierungsfähigkeit des Regimes wurde ein Ende gesetzt, auch die territorialen Kontrolle übt das Regime nicht mehr so aus wie vorher. Omar Dahi verweist auch auf die ökonomische Lage der Syrer, die sich unter Bashar al-Asad verschärft hatte und die Wut über Entbehrung, Korruption und Armut anheizte. Deshalb richteten sich die Parolen auch gegen Rami Makhluf, einer der reichsten Männer Syriens, der durch Erpressung und Einschüchterung sein Imperium schaffte.

 

Dardari: Der Trojaner des neoliberalen Syrien

Von Ghadi Francis

Wer Syrien in- und auswendig kennt, dem konnte nicht entgehen, dass Bashar al-Asad seine Herrschaft in genau dem gleichen Moment auszuhöhlen begann, in dem er sie antrat. Denn mit Hilfe seiner sogenannten „Reformen“ wurde zwar die syrische Wirtschaft umgekrempelt wie nie zuvor, in Sachen Politik sollte aber alles beim Alten bleiben. Einen neoliberalen Anzug zu schneidern, der perfekt zur Zwangsjacke der Baath-Partei passte, dafür fand Asad die ideale Besetzung in Abdallah Dardari. Der hochrangige Mitarbeiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP verfügte über genügend internationales Ansehen, das diplomatische Know-how und vor allem die richtige Ideologie. So ist es nicht zuviel gesagt, wenn man das zurückliegende Jahrzehnt syrischer Herrschaft nach dem Superhirn aller ökonomischen Reformen als „Dardari-Ära“ bezeichnet. Dabei war der enge Vertraute des Präsidenten, der bis zum stellvertretenden Premierminister aufstieg, zugleich Steigbügelhalter von Asads umstrittenem Cousin Rami Makhluf.

 

 

Die islamischen Stützen der säkularen Diktatur

Von Mona Sarkis

Die Bündnisse zwischen den Asads und dem islamischen Klerus waren aus zwei Gründen nötig: Erstens konnte Hafez al-Asad als Chef einer säkularen Partei keine staatlich-religiöse Bildungsinstitution errichten, die der Al-Azhar-Universität in Ägypten vergleichbar wäre. Zweitens fehlt es der alawitischen Familie in den Augen der sunnitischen Mehrheit an religiöser Legitimität. Also fokussierte Hafez einige Prediger und setzte sie als Mediatoren zwischen sich und den Sunniten ein. Bei seinem Amtsantritt 2000 fand Bashar al-Asad eine stark expandierte islamische Landschaft vor und erweiterte sein klerikales Netzwerk entsprechend (angeblich wurden unter ihm mehr Lizenzen an Scharia-Hochschulen erteilt als seit der Machtergreifung der Baath-Partei im Jahr 1963 insgesamt) –  prinzipiell aber hielt er an den Protegés seines Vaters, oder deren Söhnen, fest. Im folgenden ein Überblick.

 

Mächtige Muslimbrüder?

Von Mona Sarkis

Die „Arabellion“ hat im offiziell säkularen Syrien ein – nicht nur, aber auch ein – islamisches Gesicht gezeigt. Dies wirft die Frage auf, wer die führenden religiösen Köpfe des Volksaufstands sind. Mit ihrem Aufstand 1979-82 schrieben die Muslimbrüder bis zum März 2011 das bislang einzige muslimisch geprägte Revolutionskapitel in der Geschichte der Republik Syrien. Zudem bilden sie die größte Oppositionsgruppe und sind gut vertreten im Syrischen Nationalrat, der sich als führende Oppositionsplattform versteht. Drei Punkte, die erklären, weshalb sich der Blick auf sie richtet.

 

 

Die Opposition als Bürde der Revolution

Von Hazem Nahar

Im Februar zogen syrische Oppositionelle auf einer Tagung in Kairo Bilanz und suchten nach einer Strategie, wie dem Aufstand in ihrer Heimat ein so großer Rückhalt verschafft werden könnte, dass er sein Ziel einer demokratischen Gesellschaft erreichen kann. Dazu gründeten die Teilnehmer das „Syrische demokratische Forum“ (SDF), dessen Führung zur Hälfte von bekannten Regimegegnern besetzt wurde, zur anderen Hälfte aber mit zum Teil jugendlichen Vertretern der Oppositionsgruppen, die seit März vergangenen Jahres die Demonstrationen organisieren. Bereits im Januar hatte Hazem Nahar, jetzt Sprecher des SDF, in einem Thesenpapier seiner Kritik am bisherigen Zustand der Opposition Ausdruck verliehen. Hier eine kurzgefasste Rekapitulation.

 

Opposition gegen die syrische Opposition – gegen den SNC

Von As’ad AbuKhalil

Um es gleich zu Beginn ganz klar zu sagen: Das syrische Volk hat alles Recht der Welt, gegen seine brutalen Herrscher zu protestieren, ob friedlich oder gewaltsam. Und auch das gehört gesagt: Das syrische Regime hat keinerlei Recht, an der Regierung zu bleiben, und das galt schon, bevor es begann, den Aufstand mit Gewalt niederzuschlagen. Und auch dies ist mehr als klar: The syrische Regime ist unfähig, sich selbst zu reformieren.

 

SNC auf dem Weg zur „flüssigen Demokratie“?

 Im April und Mai 2012 veröffentlichte die libanesische Tageszeitung „Al-Akhbar“ eine Reihe von Dokumenten, die Internet-Hacker aus dem Email-Konto Burhan Ghaliouns, des Präsidenten des „Syrischen Nationalrats“ SNC, entwendet hatten. Sie belegen die engen Verbindungen des Nationalrats zur Türkei, wo sich auch dessen Sitz befindet; zu Qatar, von wo der SNC Gelder bezieht; ferner den USA, Saudi-Arabien und auch den „Forces Libanaises“ Samir Geageas.  Die Emails sprechen von Gefechten unter den Aufständischen in Homs selbst, bei denen offensichtlich das Al-Farouq-Bataillon Konkurrenten ausschalten wollte, sowie von Anstrengungen, Präsident Asad durch ein Asylangebot zum Rücktritt zu bewegen – was ein Mitglied des SNC und der Muslimbrüder wiederum zur Forderung nach einem Rücktitt der durch ihre Parteinahme für Israel kompromittierten SNC-Sprecherin Bassma Qodmani veranlasst. Nicht zuletzt befindet sich unter den veröffentlichten Emails ein vom 4.4.12 datierendes 11-Punkte-Programm, mit dem Osama ash-Shorbaji und Haitham al-Hamoui (Mitglied des SNC) grundsätzliche Kritik an der Dachorganisation üben.

 

 

Das syrischkurdische Parteienspektrum

Auffällig sind die Ziele syrischkurdischer Parteien zunächst aufgrund dessen, was nicht gefordert wird: Keine der Parteien fordert einen unabhängigen syrischkurdischen Staat oder die Inklusion der syrischkurdischen Gebiete in ein Gesamtkurdistan. Keine der Parteien ‒ und hier unterscheidet sich die kurdische Bewegung in Syrien von den kurdischen Parteien im Irak und in der Türkei ‒ will die Rechte der kurdischen Bevölkerung mit Waffengewalt einfordern oder hat dies je propagiert.

 

Im Oktober 2011 gab es in Syrien insgesamt vierzehn kurdische Parteien. Die unter den Ziffern 1 bis 11 der folgenden Auflistung genannten Parteien sind sämtlich aus der KDPS (Kurdisch Demokratische Partei in Syrien) von 1957 hervorgegangen. Es handelt sich bei ihnen um direkte Nachfolgeparteien der KDPS, um Abspaltungen derselben und um Zusammenschlüsse von Abspaltungen ‒ auch aus diesem Grund gibt es zwischen den verschiedenen Parteinamen erhebliche Überschneidungen, einige Namen tauchen mehrfach auf.

 

 

Dialog oder Tod?

Von Radwan Mortada

In der Berichterstattung über den Aufstand in Syrien stehen bisher Oppositionsgruppen wie der „Syrische Nationalrat“ oder die „Freie syrische Armee“ im Mittelpunkt. Doch so dominant sie auf den ersten Blick scheinen, sind sie in Wirklichkeit keineswegs repräsentativ für die Mehrheit der Revolutionäre, die sich überdies zunehmend von ihnen distanziert. Von verhängnisvollem Einfluss sind zudem vom Ausland finanzierte und gelenkte Einheiten fanatischer Guerilla-Kämpfer, die einen aussichtslosen Kampf um Alles oder Nichts führen. Den richtigen Weg weise der Annan-Plan, ist dagegen die Position von „Ar-Radif ath-Thauri“ („Der Rückhalt der Revolution“), einer der stärksten Organisationen, die im Verlauf des Aufstandes entstanden sind. Dennoch ist sie weithin unbekannt. Obwohl sie sich bewaffnet hat, setzt sie vor allem auf eines: Dialog.

 

Hizbullahs subtiler Schwenk im Syrien-Konflikt

Von Nicholas Noe

Nach einem geschlagenen Jahr, in dem die libanesische Hizbullah sich hinter ihrer Unterstützung für den syrischen Präsidenten Assad förmlich verbarrikadiert hatte, änderte sie schließlich doch ihre offizielle Haltung gegenüber dem Regime in Damaskus, wenn auch vielleicht nur in Nuancen und auf ausgesprochen zurückhaltende Weise. Der Wendepunkt kam am 15. März während einer langen, vom Fernsehen übertragenen Rede ihres langjährigen Generalsekretärs, Sayyid Hassan Nasrallah. Er sprach vor Hunderten von Studenten, eigentlich ging es um den Analphabetismus und die dringend erforderlichen Bildungsanstrengungen in der arabischen Welt. Bei dieser Gelegenheit kam er aber auch auf die gegen die syrische Regierung gerichteten Proteste zu sprechen, die ein Jahr zuvor begonnen hatten.

 

Warum Hizbullah das Asad-Regime unterstützt

Von Amal Saad-Ghorayeb

Obwohl Hizbullah für ihren Nachschub an Waffen in der Tat vom Asad-Regime abhängig ist, ist dies nicht der einzige Grund für ihre kontroverse Haltung gegenüber Syrien und erklärt entsprechend nicht vollständig, warum ihre Allianz so unverrückbar erscheint. Vielmehr muss Hizbullahs Verteidigung des Asad-Regimes zu einem Zeitpunkt, da diese alles andere als angebracht scheint, allgemein vor dem Hintergrund des regionalen Konflikts gesehen werden. Auf der einen Seite steht dabei das „Nationale Widerstandsprojekt“ der „jabha al mumana’a“ oder „Achse des Widerstandes“, wie sie im Westen tituliert wird, angeführt von Iran, Syrien, Hizbullah und Hamas, auf der anderen das „US-Projekt“ der arabischen Verbündeten der USA, die sogenannte „moderate Achse“.

 

Am 25. März veröffentlichte die unabhängige marokkanische Nachrichten-Website Lakome.com folgendes Schreiben von Michel Kilo, unabhängiger syrischer Oppositioneller an Sayyed Hassan Nasrallah.

“Ein Gruß der Freundlichkeit und Treue, der Freiheit und Befreiung in Gegenwart und Zukunft, mit Gottes Zustimmung und im Namen der Menschen. Ein Gruß vonseiten derer, die angesichts der Unterdrückung und des Unrechts geduldig sind. Ich würde es nicht einmal einen Moment lang in Betracht ziehen, Eurer Eminenz die Dimensionen und Implikationen der gegenwärtigen syrischen Krise zu erklären, die meiner Überzeugung nach zwei gegensätzliche Facetten hat, einerseits die Forderungen eines großen Teils der syrischen Bevölkerung nach dem, was ihr rechtmäßig zusteht, sprich Freiheit, Würde und Gerechtigkeit, und andererseits die schmerzhafte Methode, die das Regime gewählt hat, um mit Forderungen umzugehen, deren Legitimität es zunächst anerkannt hat, bevor es mit ungerechtfertigter Gewalt dagegen vorgegangen ist. […]…“

 

Was ist los mit Al Jazeera?

Wegen seiner Berichterstattung über Proteste in der Westsahara hatte das Büro von Al Jazeera in Marokko erst Ende Oktober 2010 schließen müssen. Ebenso geschah es kurz vor dem Sturz Mubaraks in Ägypten. Doch dann kam der Bruch: Anfang April legte der Leiter von Al Jazeera im Libanon, Ghassan ben Jeddo, seine Arbeit nieder, mit der Begründung, dass der Sender keinen Journalismus mehr betreibe, sondern „Propaganda“, um Syrien zu diskreditieren, während es die Autokraten in Bahrain und Jemen rückhaltlos stütze. Einer der Höhepunkt dieser Entwicklung war eine angebliche Siegesfeier libyscher Rebellen in Tripolis im August 2011, von der sich herausstellte, dass sie zur psychologischen Kriegsführung im Studio gedreht war. Über die Hintergründe dieser erstaunlichen Wandlung sprach Paul Jay von TRRN mit dem Journalisten Ali Hashem, der im März 2012 ebenfalls aus Protest den Sender verließ. Vier weitere Journalisten folgten. Unter der Leitung von Jeddo haben sie einen neuen Satelliten-Nachrichtenkanal  Al Mayadeen gegründet. Leitmotiv:  „Reality as it is“.

 

ALLGEMEINER TEIL

Ahmed Ben Bella 1916 – 2012

Von Werner Ruf

Ahmed Ben Bella wurde am 25. Dezember 1916 in Maghnia geboren, einer Kleinstadt nahe der marokkanischen Grenze, seine Eltern stammten aus Marokko. Die Schule besuchte er im nahe gelegenen Tlemcen. Er starb am 11. April 2012 im Alter von 95 Jahren in Algier, im Augenblick, als das Land sich darauf vorbereitete, den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von Frankreich zu feiern. Der derzeitige Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika verfügte eine achttägige Staatstrauer.

Parlamentswahlen im Iran und ihre politische Bedeutung

Von Javad Kooroshy

Im Iran wurde ein neues Parlament gewählt. Es handelte sich dabei um die erste Wahl nach den Präsidenschaftswahlen im Juni 2009, bei denen es offensichtlich zu massiven Fälschungen gekommen war. Der aus der Kritik an diesen Wahlfälschungen  hervorgegangene Protest, die sog. „Grüne Bewegung“, wurde brutal niedergeschlagen, Dutzende von Menschen wurden getötet, Tausende verhaftet und z.T. zu langen Haftstrafen verurteilt. Zwei der vier Kandidaten bei diesen Wahlen, Mir Hossain Musawi und Mahdi Karubi, stehen seit über einem Jahr unter Hausarrest, über dessen Bedingungen nichts weiter bekannt ist. Vor diesem Hintergrund wiesen die Wahlen zum neunten Parlament seit Entstehung der Islamischen Republik einige Besonderheiten auf und fanden unter besonderen Bedingungen statt.

 

Der Große Künstliche Fluss Libyens – Mythen und Realitäten

Von Konrad Schliephake

Ist es eine Sage aus der Zeit des gestürzten Diktators Muammar Al Qaddhafi, ist es real oder irreal? Gehört es zu den Hinterlassenschaften, die die libyschen Staatskassen nur belasten, oder wird es ein bleibendes Wunder der Ingenieurkunst sein?

 

Hacking-Angriff auf Palästina. Die digitale Besatzung

Von Helga Tawil-Souri

Israel kontrolliert die gesamte digitale Infrastruktur Palästinas und kann die Nutzung von Festnetztelefonen, Mobiltelefonen und Internet jederzeit einschränken.

 

Anti-afrikanische Pogrome in Israel

Von Robert Kazandjian, Ali Hocine Dimerdji und Samantha Asumadu

Vor einer Woche, am Abend des 23. Mai, einem Mittwoch, wurde Süd-Tel Aviv zum Epizentrum einer Attacke auf die afrikanische migrantische Bevölkerung, die vorsätzlich lediglich wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit angegriffen wurde; ausgeführt wurde die Attacke von einem zornigen gewalttätigen Mob. Von Afrikanern betriebene Geschäfte und von diesen bewohnte Häuser wurden zerstört und geplündert. Es gab keine Tote, aber viele wurden verletzt.

 

Ethnische Säuberung, Genozid und die Tawergha

Human Rights Investigations (HRI) macht sich große Sorgen nicht nur um dunkelhäutige Menschen in Libyen allgemein, sondern auch um pro-Gaddhafi Stämme einschließlich der Stämme Gaddafa und al-Meshashyas, ebenso auch um die Tuareg in Süd-Libyen, die beschuldigt werden, „Söldner“ zu sein, und die deswegen von der NATO und Rebellenkräften angegriffen wurden.

 

 

Turkmenistan: Ein zentralasiatisches Myanmar?

Von Nick Keith

Turkmenistan ist das im Westen am wenigsten bekannte Land Zentralasiens. Die dortige Diktatur schottet zwar das Land vor neugierigen Blicken von außen rigoros ab, kann dennoch nicht verhindern, dass unerwünschte Informationen mehr und mehr nach draußen dringen.

 

Sudan und Südsudan: Dem Krieg eine Chance?

Von Roman Deckert und Tobias Simon

Ein Jahr nach der friedlichen Teilung des Sudans bekriegen sich Norden und Süden. Zu den Opfern gehören wie immer vor allem Zivilisten – und die Wahrheit. Am 9. Juli 2011 war der sudanesische Präsident Omar Al Baschir der wichtigste Ehrengast bei den Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit des Südsudans. Entgegen den meisten Prognosen akzeptierte er die Sezession, was auf Frieden hoffen ließ. Die Volkswirtschaften beider Länder verzeichneten dank der gemeinsamen Erdöleinnahmen ein Rekordwachstum. Doch nach dem Stopp der Ölförderung stehen beide Länder nun vor dem Bankrott (siehe inamo Nr. 69) und befinden sich de facto im direkten Krieg miteinander.

 

ZEITENSPRUNG

Modis offenes Geheimnis

Der Godhra-Zwischenfall 2002

Von Jörg Tiedjen

Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Zehn Jahre, nachdem sie in Ayodhya die Babri-Moschee dem Erdboden gleichgemacht hatten, wollten Hindu-Nationalisten an eben jener Stelle den Grundstein legen für einen Ram-Tempel, eine Provokation für die indischen Muslime. Hundert Tage lang sollten aus dem ganzen Land Anhänger der radikalen Hindu-Organisationen, sogenannte Karsevaks, nach Ayodhya reisen, um dort zu demonstrieren. Als am Morgen des 27.2.2002 der Sabarmati-Express nach Ahmedabad mit fünf Stunden Verspätung in Godhra eintraf, war er überfüllt mit Heimkehrern. Trunken von Hassparolen und zum Teil mit Schlagstöcken und Dreizacken bewaffnet, hatten sie schon auf der Hinfahrt keine Gelegenheit ausgelassen, Muslime im Zug oder in den Bahnhöfen zu beleidigen, zu bedrohen oder zu misshandeln. Godhra galt aber seit Langem als ein Zentrum des Konflikts zwischen Hindus und Muslimen. Die Lunte am Pulverfass war gelegt.

 

WIRTSCHAFTSKOMMENTAR

SYRIEN: Pläne für danach – Lesart des Westens

Berlin startet Vorbereitungen für den Umbau Syriens zu einer liberalen Marktwirtschaft. Ende letzter Woche hat unter deutschem Vorsitz eine multinationale „Working Group“ die Arbeit aufgenommen; sie soll unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes ökonomische Sofortmaßnahmen in die Wege leiten, darunter die Koordinierung von Hilfsprojekten, aber auch die Durchführung von Wirtschaftsreformen. Gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten richtet die Bundesregierung dazu nun ein „Sekretariat“ ein. Es wird von einem Deutschen mit Afghanistan-Erfahrung geführt. Die Entstaatlichung der syrischen Wirtschaft hatte Berlin schon in Kooperation mit dem Assad-Regime gefördert; die beginnende Liberalisierung trieb jedoch Teile der Bevölkerung in den Bankrott, was zum Aufstand gegen das Regime beitrug. Erste Entwürfe für eine neue syrische Wirtschaftsordnung liegen Berlin mittlerweile vor. Verfasser ist ein Aktivist des Syrian National Council (SNC), der von zahlreichen Oppositionellen scharf kritisiert wird, weil die Muslimbruderschaft in ihm eine starke Stellung innehat. Führende SNC-Positionen halten syrische Exilpolitiker aus Washington, die eine westliche Intervention à la Kosovo verlangen und als Vorbild für die syrische Opposition die UÇK benennen.

 

Der Dichter Taha Muhammad Ali 

„Du hast Deine Mörder an der Nase herumgeführt“

Von Hakam Abdel-Hadi

In der deutschen, französischen, insgesamt in der europäischen literarischen Öffentlichkeit ist der Dichter Mahmud Darwisch die bekannteste Figur. Nicht nur jeder Palästinenser, sondern die gesamte arabische Welt bringt gegenüber den Werken Mahmud Darwischs ihre Verehrung und Bewunderung zum Ausdruck. Sein Werk wird so gewürdigt, als gäbe es neben diesen Arbeiten keine anderen. Zu Unrecht steht das herausragende Werk des in Nazareth lebenden Dichters Taha Muhammad Ali im Schatten des legendär gewordenen Darwisch. Taha Muhammad Ali ist am 2. Oktober 2011 in Nazareth verstorben.

 

While Waiting

Publikumsgespräch in Berlin

Aufnahme, Transkription und Bearbeitung: Julia Tieke, Rundfunkautorin.

Zum „Freedom Theatre“ im palästinensischen Flüchtlingslager Jenin City im Westjordanland gehören ein Theater und eine Schauspielschule. Mitte Juni 2012 zeigten Absolventen der Schule ihre Abschlussarbeit „While Waiting“ im Berliner „Ballhaus Naunynstrasse“ und anschließend im Staatstheater Kassel. Nach der Deutschlandpremiere des Stücks nach Samuel Becketts „Warten auf Godot“ fand ein Publikumsgespräch statt, das wir hier in gekürzter Fassung dokumentieren.

Die Fragen beantworteten der Regisseur Udi Aloni, die Schauspieler Mo’min Switat und Rabee Turkman, sowie ihr Mitspieler und Stand-Up-Comedian Adi Khalifa. Mit von der Partie war auch auch Milay Mer, die Tochter des am 4. April 2011 von Unbekannten vor dem Freedom Theatre erschossenen Gründers Juliano Mer Khamis. Mariam Abu Khaled und Batoul Taleb, die Wladimir (Didi) und Estragon (Gogo) spielen, sowie Rami Hwayel, der Pozzo darstellt, nahmen nicht an dem Gespräch teil.

 

EX MEDIIS

Redaktion: Abdallah Hanna, Al-Ahzab as-siyasiyya fi Surya al-qarn al-`ishrin wa ajwa´uha al-ijtima´iyya (2012) e-kutub – London. (Die Politischen Parteien in Syrien im 20. Jahrhundert und ihre sozialen Hintergründe)

Nausikaa Schirilla: Dhouib, Sarhan (Hg.): Arabisch-islamische Philosophie der Gegenwart, Concordia – Internationale Zeitschrift für Philosophie,  59/2011, 135 S., ISBN 3 86130 793 6

Arno Schmitt: Thomas Bauer: Die Kultur der Ambiguität; Berlin: Verlag der Weltreligionen 2011.

 

Greater Middle East in den internationalen Publikationen

Von Matin Baraki rezensiert 40 Bücher über Afghanistan, Iran und Pakistan.

„Man ist geneigt zu behaupten, dass es inzwischen mehr Afghanistanexperten gibt als das Land am Hindukusch Einwohner hat. Jeder fühlt sich dazu berufen, selbst nach einem kurzen Aufenthalt in Afghanistan, darüber ein Buch bzw. Bücher zu schreiben. Den Autoren und Verlagen ist natürlich bewusst, dass sich mit Afghanistan gute Geschäfte machen lassen, unabhängig von der Qualität der Publikationen.“