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GASTKOMMENTAR

„Geltendes Recht darf nicht im Kampf gegen Unrecht aufgegeben werden.“
Von Almut Besold

 

Türkei: 9 Jahre AKP

Türkei: Wer profitiert vom Wirtschaftswachstum ?
Von Hüseyin Dağdaş

Um die heutigen ökonomischen Beziehungen in der Türkei verstehen und die politische Situation analysieren zu können, ist es notwendig einen kurzen Blick auf die ökonomische Entwicklung der Türkei seit 1980 zu werfen.

Wasserpolitik: Privatisierung, Kommerzialisierung und Ausbeutung
Von Elif-Arığ-Guttstadt und Tayfun Guttstadt

In seiner Rede zur Eröffnung des Illısu-Staudamms am 31.10.2010 scheute Ministerpräsident Erdoğan nicht davor zurück, die Gegner der Wasserkraftwerke mit den Urhebern der Explosion auf dem Taksim-Platz in Istanbul vom selben Tag auf eine Stufe zu stellen. Er nennt sie evreci tipler (Ökotypen). Damit meint er die Bewohner der betroffenen Dörfer sowie Biologen, Tierschützer, Professoren und Studenten, die sich gegen die Zerstörung ihrer Zukunft wehren. Sie stellen in den Augen Erdoğans eine erhebliche Gefahr für die Zukunft einer Türkei dar, die hochmodern ist und ganz oben mitspielt. Erdoğan kennt die Regeln der Großen des Weltmarktes: alles verkaufen, was man verkaufen kann. Auch wenn die Natur und damit das Leben auf der Erde unwiderruflich geschädigt wird. Selbst wenn man Zehntausende entrechten und enteignen muss. Er weiß das Kapital der Türkei und des Auslands an seiner Seite, wenn es darum geht, dem Wachstum der Wirtschaft absoluten Vorrang einzuräumen.

 

Willkommener Feind: Die Türkei als wirtschaftlicher und kultureller Machtfaktor in der Kurdistan-Region im Irak
Von Irene Dulz & Andrea Fischer-Tahir

Hatten türkische Außenpolitik und Militär seit den frühen 1990er Jahren vergeblich versucht, das Projekt kurdischer Eigenständigkeit im Irak zu destabilisieren und seine Vorbildwirkung etwa für Kurden in der Türkei zu neutralisieren, so sind derzeit wirtschaftliche und kulturelle Politiken dabei, den Nordirak zu erobern und sich in den öffentlichen Raum sowie alltägliche Konsumpraxen und Lebensentwürfe einzuschreiben.

 

Vom Wahlkampf zur politischen Krise in der Türkei
Von Anne Steckner & Corinna Trogisch

Die Kräfteverhältnisse in der Türkei sind geprägt von einer besorgniserregenden Machtkonzentration in den Händen der konservativ-islamischen AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung): das Ergebnis der Parlamentswahlen im Juni, bei denen die AKP ihren dritten Wahlsieg in Folge einfuhr und ihren Stimmenanteil auf knapp 50% erhöhen konnte, hat der Regierungspartei politischen Rückenwind beschert. Während die AKP dies für die Propagierung einer neuen Verfassung nach ihrem Gusto nutzt und sich weiter als Motor der – international auffallend unkritisch gelobten – „Demokratisierung der Türkei“ inszeniert, geht sie zunehmend repressiv gegen oppositionelle Kräfte vor. Um so überraschender war das Ergebnis des linkskurdische Wahlblocks, der die parlamentarische 10-%-Sperrklausel erfolgreich umgehen konnte.

 

„Weiße Türken“ gegen „Maganda“  – Kulturkampf in der Türkei
Von Tanıl Bora

Seit Jahren findet in der Türkei eine Art „Kulturkampf“ statt, zu deren Schlüsselbegriffen der des „Weißen Türken“ gehört. Dieser Begriff tauchte erstmals in den 1990er Jahren auf und wurde zunächst entweder zynisch-satirisch oder im Sinne einer klassenorientierten Kritik verwendet. Mit der zunehmenden Fraktionierung der städtischen Mittelklassen und der von diesen immer stärker empfundenen Bedrohungen wurde der Begriff während der 2000er Jahren immer häufiger benutzt. Überdies hat  er sich zu einer Identität entwickelt, zu der man sich bekannte, als reagiere man auf eine Herausforderung. Nicht zuletzt schlägt sich hierin auch die Reaktion auf den Elitenwandel nieder, den die Türkei seit Regierungsantritt der  AKP erlebt.

 

Die Verfassungsreform: der Boykott des Referendums durch die BDP
Von Havva Kökbudak

Am 18.8.2011 bombardierten wieder türkische Kampfflugzeuge das Kandil-Gebirge in Nordirak, das Hauptquartier und Rückzugsgebiet der KCK/PKK. Erdoğan hat sich durch die ‚Kurdeninitiative’ und die Entmachtung des Militärs inzwischen weltweit eine Reputation als „Demokrat“ verschafft. Das eigentliche Problem liegt tiefer, als dass die ‚Kurdeninitiative’ es jemals lösen könnte, wie die Kette von Ereignissen seit dem DTP-Verbot im Dezember 2009 zeigt. Im Folgenden wird das Ausmaß der offenen sichtbaren Gewalt einerseits und der weniger sichtbaren ‚Gewalt des Gesetzes’ gegen die kurdische Bewegung andererseits dargestellt.

 

“Auf der Busfahrt, beim Essen und beim Tee: Uns geht’s immer um kurdische Literatur.”
Von Sonja Galler

Alt-ehrwürdig sind die Gemäuer, jung ist die Studentenschaft: Seit einem Jahr wird in der Zinciriye-Madrasa/Artuklu Universität in Mardin der Master Kurdische Sprache und Kulturunterrichtet.

 

Die Aleviten
Von  Ekrem Eddy Güzeldere

Durch die gesellschaftspolitischen Entwicklungen treten die inneren Widersprüche der Türkei offener zu Tage. Angeregt von dem Kampf der Kurden nach Anerkennung und Selbstbestimmung, organisiert sich auch die größte nicht-sunnitische Gruppe,  die Aleviten und stellt Forderungen nach rechtlicher Anerkennung und dem Ende der staatlichen Assimilationspolitik. Da die Aleviten eine sehr heterogene Gruppe sind, treten sie dementsprechend vielstimmig auf.  Eine Strömung beteiligt sich an der sog. alevitischen Initiative der Regierung, andere Gruppen fordern ein radikales Umdenken der Beziehung von Staat und Religion. Politisch sind sie aber weitgehend machtlos.

 

Die Dönme die »heimlichen Beherrscher der Türkei«
Von Marc David Baer

Seit mehreren Jahren ist die angebliche Beherrschung der Türkei durch Kryptojuden ein zentrales Thema der türkischen Öffentlichkeit. Bücher zu diesem Thema brachen Verkaufsrekorde. Im Zentrum dieser antisemitischen Verschwörungstheorien stehen nicht Juden selbst, sondern die ethno-religiöse Gemeinschaft der Dönme, bzw. ihre Nachfahren.

 

ALLGEMEINER TEIL

Die Palästina-Papiere enthüllen die Fiktion des Friedensprozesses
Von Alastair Crooke

Alastair Crooke beschreibt die Strategieänderung gegenüber der Hamas nach 2003, weg von Zusammenarbeit und Vermittlung hin zur Aufstandsbekämpfung. Zwar wollte die EU anfänglich die Hamas zu einem Wandel bewegen, doch führende Staaten der EU und die USA hatten schon den Weg der militärischen Zerschlagung der Hamas eingeschlagen. Das Bekenntnis der EU zur palästinensischen Einheit wurde propagiert, aber in Wirklichkeit jegliche Opposition ob der islamischen oder derjenigen von Teilen der Fatah gegenüber der PA unterdrückt. Die Palästina-Papiere zeigen, wie dieses Projekt an Fahrt aufnahm: Es gab massive Investitionen in Training und Sicherheitsinfrastruktur. Die Leitung der militärischen Zerschlagung der Hamas hatte US-Generalleutnant Dayton. Seit der Veröffentlichung der Palästina-Papiere ist die Fiktion, auf der dieser Prozess beruht, jedem klar geworden. Die Hoffnung von Crooke ist, dass diese Klarheit jetzt neue Möglichkeiten entstehen lässt.

 

„Nun ist alles weg!“ – Israels Zerstörung von palästinensischem Eigentum im Jordantal
Von Nora Barrows-Friedman 

Das israelische Militär (IDF) hat in nur zwei Wochen im Juni in den besetzten Gebieten im Jordantal 27 Häuser zerstört. Mehr als 140 Palästinenser wurden durch die Zerstörungen obdachlos, während die israelischen Siedlungen immer größer werden und immer mehr Wasser für sich beanspruchen, wodurch die Lebensfähigkeit palästinensischer Dörfer in diesem Gebiet stark beeinträchtigt wird.

 

Libanon: Hariri-Klage jetzt öffentlich
Von Jörg Tiedjen

Seit Mitte August kann jeder sie einsehen, die Anklage des UN-Sondertribunals zum Libanon (STL). Die bloße Drohung mit ihr hatte das Land in eine Krise gestürzt und im Januar zum Fall der Regierung des „14. März“ geführt. Ihr Inhalt war seit langem bekannt: Eine Analyse von Telefonverbindungen, aus der sich ergeben soll, dass Hizbullah es war, die den früheren Premierminister Hariri ermordete. Überraschend war allerdings, dass die Einwände mittlerweile auch im Tribunal selbst Gehör finden. So sieht sich Untersuchungsrichter Fransen in seiner Stellungnahme außerstande, die Glaubwürdigkeit des von Chefankläger Bellemare im Januar eingereichten und dann mehrfach überarbeiteten Indizienbeweises zu überprüfen. Die Entscheidung über seine Zulässigkeit wird auf die Verhandlung vertagt, die aller Voraussicht nach in Abwesenheit der Angeklagten stattfinden wird.

 

Nach der Teilung: Alarmzustand zwischen Sudan und Südsudan
Von Roman Deckert und Tobias Simon

Die Teilung des Sudans im Juli 2011 ist vielen Erwartungen zum Trotz friedlich von statten gegangen. Doch keine 100 Tage später scheinen die Pessimisten Recht zu behalten, die einen neuen Nord-Süd-Krieg prophezeit haben, allerdings unter anderen Vorzeichen.

 

Das Leiden Syriens – Die Unterdrückung des Aufstandes

Die Herausgeber von MERIP, Middle East Research and Information Project, analysieren die Unterdrückung des syrischen Aufstandes und kommen zu dem Fazit: „Ob das syrische Regime überlebt oder nicht, oder genauer ausgedrückt, in welcher Form auch immer es überleben sollte, am Ende des Aufstands wird es das Land durch die Hölle geschickt haben.“

 

Ein syrisches Drama: Taxonomie einer Revolution
Von Omar S. Dahi

Das syrische Regime steckt in großen Schwierigkeiten. In Abwesenheit eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs mag sein Untergang vielleicht nicht unmittelbar bevorstehen, aber die meisten Indikatoren lassen die Schlussfolgerung zu, dass das Regime praktisch am Ende ist und dass die einzigen verbleibenden Fragen sich darauf beziehen, wie blutig der Übergang sein wird und was für ein Syrien daraus hervorgehen wird. Die neueste Entwicklung: eine Fraktion der Opposition scheint wohl bereit unter Vermittlung von Qatar und der Arabischen Liga, eine Lösung zusammen mit Bashar al-Asad zu finden, was aber von der Mehrheit der Bewegung abgelehnt wird.

 

Syrien: Muslimbruderschaft „Dieses Regime hat ausgedient“

Ivesa Lübben interviewte am 4. September in Istanbul die führenden Köpfe der syrischen Muslimbruderschaft: den Muraqib Aam (Generalinspektor) Riyadh Shafqa und sein Stellvertreter und Vorsitzender des Politischen Ausschusses der Organisation, Faruq Taifur. Bei der nicht zustande gekommenen Konferenz in Ankara wurde Faruq Taifur von dem Initiator gefragt, ob er nicht den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden eines Übergangsgremiums übernehmen wolle (den Vorsitz sollte Burhan Ghaliun übernehmen). Die MB fürchteten eine Konkurrenz und Spaltung zwischen den verschiedenen Räten und lehnten ab.

 

Libyen und die Völkerrechtler des Krieges.
Von Norman Paech

„Im Auslegen seid frisch und munter, legt ihr nicht aus so legt was unter.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

 

General „Manhunter“: Stanley McChrystal
Von Tom Engelhardt

Stanley McChrystal ist der General aus dem Schattenreich (und stolz darauf). Seine Ernennung zum Oberbefehlshaber des Afghanistankriegs durch Präsident Obama deutete darauf hin, dass die Regierung bereit war, alles aufs Spiel zu setzen. Sie steuerte direkt auf das zu, was in der Ära des Vietnamkriegs als „the big muddy“ bezeichnet wurde, womit es die falschen Entscheidungen von Obamas Vorgänger noch übertrifft.

 

WIRTSCHAFTSKOMMENTAR

Der Raub von Reisanbauland unterminiert die Ernährungssouveränität Afrikas
AgainsttheGrain

Im Gefolge der globalen Nahrungskrise von 2008 wurden afrikanische Hauptstädte durch das erneute Gerede von der Notwendigkeit der Selbstversorgung in helle Aufregung versetzt. Obwohl alle sich darüber einig sind, dass die Nahrungsmittelproduktion gesteigert werden muss, laufen die Lösungen der Machthabenden auf die abgenutzte alte Formel hinaus, die Landwirte mit mehr Dünger und „ertragreichem“ Saatgut zu versorgen.

 

ZEITENSPRUNG

Noor un-Nisa Inayat Khan: Ermordet 13 September 1944 in Dachau
Von Dagmar Schatz

Noor un-Nisa Inayat Khan, geboren am 2. Januar 1914 in Moskau als ältestes Kind des indischen Prinzen und Sufi-Lehrers Hazrat Inayat Khan und seiner Ehefrau Ora Ray Baker, diente, kämpfte, starb als Angehörige der von Churchill ins Leben gerufenen Spezialeinheit Special Operations Executive, deren Hauptaufgabe es war, hinter den deutschen Linien und in den besetzten Ländern die Verbindung zwischen dem einheimischen Widerstand und den Alliierten zu halten. Sie wurde am 13. September 1944 im KZ Dachau umgebracht.

 

ex mediis 

Neslihan Dogan: Ali Fathollah-Nejad: Der Iran-Konflikt und die Obama-RegierungAlter Wein in neuen Schläuchen?

Manfried Wüst: Basem L. Ra‘ad, Hidden Histories, – Palestine and the Eastern Mediterranean

Beate Hinrichs: Mitternacht auf der Mavi Marmara. Der Angriff auf die Gaza Solidaritäts-Flottille

Norbert Mattes: Yitzhak Laor, The Myths of liberal Zionism

Irit Neidhardt: „Kull Yaum Aid“ (Jeder Tag ein Fest) Dima El-Horr  (Spielfilm, Libanon)

Dokumentarfilm „Die eiserne Mauer“ Mohammed Alatar (Palästina).