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Gastkommentar

Antimuslimischer Feminismus und Rechtsextremismus – eine Replik

Von Birgit Rommelspacher

 

 

Schwerpunkt: Mauretanien

 

Sozialstrukturen und politische Macht (1978-205)

Von Abdel Wedoud Ould Cheikh

Obwohl Elemente des modernen Staates bereits mit der Kolonialzeit nach Mauretanien kamen, konstatiert Mohamed Ould Cheikh, dass die Akzeptanz moderner staatlicher Werte in der Geschichte des unabhängigen Mauretaniens bisher marginal und widersprüchlich blieb. Sie sind kaum verwurzelt in einer Gesellschaft, in der die traditionelle soziale Organisation und der Islam nach wie ein großes Gewicht besitzen. Die komplexe Sozialstruktur, mit ihren Ethnien, Stämmen, Kasten und regionalen Besonderheiten, hat den Boden bereitet für einen andauernden staatlichen Autoritarismus, der für Ould Cheikh zudem Züge der arabisch-islamischen Sultanstradition aufweist.

 

Demokratie, Islamizität und Stammeskultur

Von Ulrich Rebstock

Als Mauretanien im November 1960 von den Franzosen in die nationale Staatssouveränität entlassen wurde, setzte eine stetig zunehmende Konfrontation ein: Postkoloniale, protostaatliche und staatsähnliche Strukturen standen in Konflikt mit westlich orientierten Regierungsprinzipien. Diese Konfrontation, die einst durch die „nationale Unabhängigkeit“ ausgelöst, dann wiederum in die Zwangsjacke der Demokratie gepresst und in jüngster Zeit mit „Guter Staatsführung“ sowie den Versprechen von „Jahrtausendzielen“ geschmückt worden war, kann als höchst verlässliche Konstante der Innen- und Außenpolitik Mauretaniens während der vergangenen viereinhalb Jahrzehnte angesehen werden. Wenn man auf die Konzepte Nationalstaat und Demokratie zurückblickt, erscheint die auffällige Vernachlässigung einer dritten Komponente erstaunlich, ohne die das magische Dreieck für eine „moderne Entwicklung in Mauretanien“ heutzutage nicht komplettiert werden könnte: Der Islam.

 

Demokratie in Mauretanien – Übergangsphasen in Permanenz

Von Mohamed Fall Ould Bah und Laurence Marfaing

Am 6. August 2008 wurde Nouakchott mit der Nachricht geweckt, alle Chefs der Armeekorps und der Sicherheitskräfte seien durch den Präsidenten abgesetzt worden.  Erfahrenen Beobachtern war von da an klar, dass dies genau zweierlei bedeuten konnte: entweder die Korpschefs waren inhaftiert und der Präsident hatte diese erste Partie gewonnen, oder sie waren frei und er hatte verloren; die letztere Konstellation erwies sich als zutreffend: Die Militärs verhafteten Präsident Sidi (in Mauretanien allgemein übliche Bezeichnung für Präsident Sidi Ould Cheikh Abdallahi) und seinen Premierminister, Yahya Ould al-Waqf. So schien der ebenfalls durch einen Putsch – am  3.August 2005 –  eingeleitete Demokratisierungsprozess im öffentlichen Leben Mauretaniens ein Ende zu nehmen.

                              

Frömmigkeitsrente. „Moralisches Unternehmertum“ und islamische Finanznetze

Von Mohamed Fall Ould Bah und Abdel Wedoud Ould Cheikh

Die maurische Gesellschaft war, wie auch die benachbarten Sahel-Gesellschaften (Soninke, Tuareg etc.), traditionell unterteilt in mehr oder weniger abgeschlossene und hierarchisierte Statusgruppen. Man wurde geboren als „Krieger“  (Kriegerstämme), „Marabu“, „Abhängiger/Tributpflichtiger“, „Griot“ (Musiker, Sänger), „Handwerker“, „ehemaliger Sklave“ oder „Sklave“. Wir verwenden die Vergangenheitsform, da diese soziale Architektur seit der Kolonialzeit und während der fünf Jahrzehnte der Unabhängigkeit Mauretaniens substanzielle Veränderungen erfahren hat. Jedoch behalten das „Gewicht der Geburt“ und die Regeln, die die Eheschließung bedingen und den diskriminierenden sozialen Status verewigen, noch immer wesentliche Teile ihrer Wirksamkeit

 

Das Gesetz Nr. 2007-048 zur Ahndung der Sklaverei

Von Christine Hardung

Als am 26. April 2007 Messaoud Ould Boulkheir zum Präsidenten der Assemblée NationaleMauretaniens gewählt wurde, war dies insbesondere für die hrâtîn-Gemeinschaft ein historischer Tag. Einer der ‚ihren‘, ein ‚Nachkomme von Sklaven‘, was zu betonen in keiner Ausgabe der nationalen Presse unterlassen wurde, hatte eines der höchsten Staatsämter übernommen. Der Ernennung Ould Boulkheirs war eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs vorausgegangen, in der im Zuge der Wahlen von 2006/07 die Frage der Sklaverei und ihrer Folgen zum Wahlkampfthema wurde und für einen kurzen Moment in der jüngeren Geschichte Mauretaniens in den Vordergrund der nationalen Politik geriet.

 

Die saharischen Schulen in der Geschichte Mauretaniens

Von Ghislaine Lydon

Der vorliegende Beitrag bietet einen kurzen Überblick über die Entwicklung alphabetisierter Gesellschaften im Südwesten der Sahara, ein Gebiet, das den größten Teil des heutigen Mauretaniens umfasst. Die Autorin, Ghislaine Lydon, untersucht das saharische Schulsystem und die Auswirkungen der Fähigkeit, Arabisch zu lesen und zu schreiben, wobei ihr Augenmerk einerseits der intellektuellen und praktischen Motivation für den Erwerb dieser Lese- und Schreibfähigkeit gilt, und andererseits den vielfältigen Anwendungsbereichen.

 

Shaikhani (1907-1986) und die Erneuerung der Tijaniya in den 40er Jahren

Von Britta Frede

Die Tijaniyya ist eine Sufibewegung, die Ende des 18. Jahrhunderts in Nordafrika entstanden ist. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts etablierte sie sich auch in Mauretanien. Um 1929 enstand im Senegal unter Führung von Ibrahim Niasse (1900-1975) eine Erneuerungsbewegung der Tijaniyya. Sie nennt sich faida. Der bekannteste maurische Scheich der frühen faida-Bewegung in Mauretanien war Ahmad Mahmud ould Muhammad at-Tulba (1907-1986), der unter dem Namen Shaikhani bekannt wurde. Shaikhani stammte aus einer etablierten religiösen maurischen Familie. Sein Urgroßvater war Muhammad al-Hafiz (um 1758/59-1831/32), der Begründer der maurischen Tijaniyya. In den 1940er Jahren hatte die faida-Bewegung ihren Durchbruch im Tagant, einer Region im Osten Mauretaniens.

 

Afghanistan      

Deutschland im Krieg: Es geht keinem um Afghanistan

Von Conrad Schetter

Seitdem im Frühjahr 2009 Barak Obama den allmählichen Abzug US-amerikanischer Truppen aus dem Irak beschlossen hat, geriet das „Schlachtfeld“ Afghanistan zunehmend in das Zentrum US-militärischer Strategien. Damit wurde Afghanistan erneut – wie nach der Intervention 2001 – in das Zentrum ideologischer Auseinandersetzungen gerückt: So rüstet nicht nur die NATO gegenwärtig ihre Truppen auf ca. 130.000 Mann auf, sondern wurde Afghanistan auch einmal mehr Ziel internationaler Jihadisten aus aller Welt, die hier ihre Kräfte mit den USA und ihren Verbündeten messen. Deutschland ist über den Einsatz von nun 5.800 Bundeswehrsoldaten in diesem eskalierenden Konflikt als Mitglied der NATO selbst Akteur geworden, auch wenn die offiziellen Bekundungen der Bundesregierung immer wieder den zivilen Charakter des deutschen Engagements – „Entwicklungshelfer in Uniform“, „bewaffnetes Technisches Hilfswerk“ – in den Vordergrund stellten. Was die Bundeswehr jedoch in Afghanistan ausrichten soll, ist daher bislang ungeklärt

 

Algerien/Frankreich

Die Ermordung der Mönche von Tibhirin und die franko-algerische Staatsräson

Von Werner Ruf

In der Nacht vom 26. zum 27. März 1996 wurden sieben Mönche des Zisterzienser-Klosters von Tibhirin in der Nähe von Medea (rd. 100 km südwestlich von Algier) im algerischen Atlas von einem Kommando islamistischer Terroristen unter Führung von Djamal Zituni, dem damaligen „Emir“ der „Bewaffneten Islamischen Gruppen“ (GIA), entführt. Nach der fast fünfzehn Jahre gültigen offiziellen Lesart der algerischen und französischen Behörden wurden sie etwa zwei Monate später „aus Fanatismus“ von ihren Entführern exekutiert (Le Monde, 10.12.2003). Erst bei der Bestattung der vermutlich am 21. Mai 1996 Getöteten stellte sich heraus, dass in den Särgen nur die Köpfe der Toten waren, ihre Körper blieben für immer verschwunden. In den französischen Medien brach eine regelrechte Hysterie gegenüber den „Verrückten Gottes“ (so die damaligen Schlagzeilen) aus, die für diese bestialische Tat verantwortlich waren. Doch schon sehr früh tauchten Zweifel an dieser Version auf.

 

Westsahara

Bereitet der EU-Fischerei in der Westsahara ein Ende!

Von Axel Goldau

 

Palästina/Israel

Ja, zum Mobilegeschäft!  Nein, zum Goldstone Bericht!

Von Jonathan Cook

Israel konnte vergangenen Oktober seinen Erfolg feiern, die Palästinenser gezwungen zu haben, ihre Forderungen nach einer Untersuchung vermutlicher von Israel währendes des Gaza-Krieges verübter Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof zurückzustellen. Die Kehrtwendung, der nachdrückliches Lobbying durch Israel und die USA vorausgegangen war, scheint den vernichtenden Bericht von Richter Richard Goldstone zu den Kampfhandlungen, während denen mehr als 1.400 Palästinenser – mehrheitlich Zivilisten – getötet wurden, zu beerdigen. Jonathan Cook zeigt auf, wie Israel die wirtschaftliche Entwicklung der Palästinenser nicht nur einschränkt und kontrolliert, sondern auch als Druckmittel gegen die PA in diplomatischen Krisensituationen wie dem Goldstone-Bericht einsetzt.

 

Türkei

Die „Kurdeninitiative“ der AKP

Von Havva Kökbudak

Die neoliberale islamisch-konservative AKP-Regierung (Adalet ve Kalkınma Partisi – Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) tat mit der Eröffnung des Fernsehkanals „TRT Şeş“ (TRT 6) Anfang 2009  – einen für türkische Verhältnisse revolutionären Schritt. Der staatliche TRT 6 war der erste Kanal, der 24 Stunden auf Kurdisch senden durfte. Natürlich sollte diese Geste, so hatte die AKP gehofft, auf die Kommunalwahlen im März desselben Jahres ausstrahlen. Doch ihre Rechnung ist nicht aufgegangen: die AKP war zwar die erste Partei, deren Großkundgebung in Diyarbakır mit einer Simultanübersetzung ins Kurdische über TRT 6 live übertragen wurde; die Kundgebungen der DTP (Demokratik Toplum Partisi – Partei für eine demokratische Gesellschaft) wurden jedoch entweder von TRT 6 übergangen oder es wurde über diese nur kurz berichtet. Trotzdem scheiterte die AKP am 29.3.2009 in acht kurdischen Provinzen. Die Hintergründe der Kurdeninitiative der AKP analysiert Havva Kökbudak.

 

Film

Palästinensisches Kino?

Von Irit Neidhardt

Irit Neidhardt, Gründerin des Filmverleihs mec film für ägyptische, palästinensische, jordanische, israelische und libanesische Filme, wurde vom Cinemateca Distrital Bogota / Kolumbien gebeten, über ihre Bewunderung für das palästinensisches Kino zu schreiben. Sie geht an den Anfang des palästinensischen Films zurück, der in den 70er Jahren von der PLO als Politikum genutzt wird und sich mit Michel Khleifi in den 80er heraus zu einem eigenen Genre entwickelt. Feinfühlig beschreibt sie den Übergang von der Darstellung des „damals“ hin zur Verfilmung einer schwierigen Realität anhand aktueller Filmbeispiele. Mit ihrem Beitrag beweist Neidhardt eine tiefe Kenntnis der Thematik und den souveränen Umgang mit der Materie Film.

 

Islam in outer space      Teil II

Die afghanische Weltraummission

Von Nils Fischer

In Heft 54, Sommer 2008, begannen wir die Serie Islam in outer space mit einem Beitrag über die Richtline für die Ausübung islamischer Kulthandlungen im Weltall, die vomDepartment of Islamic Development Malaysia (JAKIM) herausgegeben wurde. Malaysia hat ein nationales Weltraumprogramm etabliert und im Oktober 2007 einen Astronauten auf die Internationale Raumstation gesandt. Er ist nicht nur der erste Malaysier, sondern auch der erste Muslim, der mit einem von islamischen Rechtsgelehrten erarbeiteten Ratgeber zur Religionsausübung i im Weltall ausgestattet worden ist. Nils Fischer setzt nun die Reihe mit einem Bericht über den afghanischen Raumfahrer Abdulahad Momand fort, der am 29. August 1988 mit sowjetischen Kosmonauten zur Weltraumstation Mir aufbrach. Der Artikel beruht auf einem persönlichen Interview des Autors mit Abdulahad Momand am 13. September 2008.

 

Wirtschaftskommentar

Irak, EU und Nabucco: Die Dreigroschenpipeline

Von Inga Rogg

Täglich schließt der Irak große Verträge mit Konzernen und Nationen – zuletzt ein Energieabkommen mit der EU. Dabei ist der Bedarf des eigenen Landes kaum gedeckt. Die Hauptstadt mit ihren verfallenen Häusern, Baulücken und Müllbergen wirkt wie eine heruntergekommene Drittweltmetropole. Ein Bericht über den mühsamen Alltag in Bagdad.

 

Zeitensprung   

1970 im September

Redaktion

Die US-Regierung hat 2009 eine Reihe von Telegrammen, Telefongespräche und Protokolle von Diskussionen aus der Zeit von 1970 frei gegeben. Sie behandeln sowohl die Vertreibung der Palästinenser aus Jordanien (Schwarzer September) als auch den Tod des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser. Im Vordergrund stehen die beiden Wochen im September 1970. Die Figuren des Politthrillers sind Yitzhak Rabin, der damalige Botschafter Israels in Washington und Oberbefehlshaber während des 1967er Krieges (Sechstagekrieg) und der nationale Sicherheitsberater der USA, Henry Kissinger. Kissinger war der Gestalter der nixonschen Politik. Ferner dessen Vorgesetzter und Konkurrent Außenminister William Rogers. Auf israelischer Seite Ministerpräsidentin Golda Meir, ihr Stellvertreter Yigal Alon, Verteidigungsminister Moshe Dayan und Außenminister Abba Eban. Und nicht zuletzt König Husain von Jordanien.

 

Ex Libris

Hakam Abdel-Hadi: Al-Nakba – Dokumentarfilm; produced by al-Jazeera. Researched and directed by Rawan al-Damen. Teil 1: 1799 bis 1947, The Threads of the Conspiracy & Crushing the Revolution und Teil 2: 1947 bis 2008, Ethnic Cleansing & The On-going Nakba. Erhältlich in Englisch. Demnächst in Deutsch.

Katja Hermann: Bettina Marx: Gaza. Berichte aus einem Land ohne Hoffnung

Nils Fischer: Anna Kölling: Weibliche Genitalverstümmelung im Diskurs

 

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