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»Stadtentwicklung«

Heft Nr. 89
Jahrgang 23, Frühjahr 2017, 70 Seiten
April 2017

Mit Beiträgen von:

Christian Steiner, Steffen Wippel, Jonas Margraff, Nadine Scharfenort, Felix Hartenstein, Khaled Adham, Raffael Beier, Atef Alshehri, Ayse Öztürk, Manja Stephan-Emmrich, Phillip Weiss, Sami Kleib, Patrick Cockburn, Irit Neidhardt, Shir Hever, Roman Deckert, Reinhard Möller, Kai-Henning Gerlach, Karin Kneissl und Norbert Mattes.

Inhalte im Schwerpunkt

Wege zur Neuerfindung der Stadt im Nahen und Mittleren Osten?

Von Christian Steiner/Steffen Wippel

Baustellen. Wer immer sich in den letzten zehn Jahren in den Großstädten und regionalen Zentren des Nahen und Mittleren Osten, einschließlich Nordafrikas und Zentralasiens, bewegt hat, konnte ihnen kaum entgehen. Fast schien es, als wäre ein wahres Baufieber in der Region ausgebrochen. Von Dubai bis Doha, von Mekka bis Muscat und von Kairo bis Casablanca scheinen Baukräne die Skyline zu beherrschen – selbst nach Finanzkrise und „Arabischem Frühling“. Städtebauliche Megaprojekte dominieren, nicht nur in Dubai, die Schlagzeilen.

Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten wird dabei nicht nur vielfach bewundert, sondern hat sich auch als eine Art Rollenmodell für Stadtentwicklungsprozesse in der Region etabliert, dem von Mekka über Duschanbe bis Tanger nachgeeifert wird. Wie der Beitrag von Christian Steiner in diesem Heft diskutiert, unterliegt dem Modell der Stadtentwicklung Dubais aber nicht nur ein zum Imperativ übersteigertes „Höher, Schneller, Weiter!“ Der Bau immer neuer aufmerksamkeitsheischender Großprojekte dient auch dazu, eine neue marketinggängige Identität der Stadt am Golf zu entwerfen, die sich wirtschaftlich in Wert setzen lässt und gleichzeitig der herrschenden Elite einen politischen Legitimationsgewinn verspricht. Stadtentwicklung à la Dubai, so lässt sich schlussfolgern, dient daher auch immer der Stabilisierung der herrschenden Machtverhältnisse.

Das „Dubai-Modell“ mit dem ihm innewohnenden Gigantismus und den attraktiv erscheinenden materiellen und immateriellen Waren- und Reputationsangeboten verbreitet sich bis in eher peripher gelegene Ecken der Region wie das zentralasiatische Duschanbe und findet auch in „sekundären“ Städten wie dem nordmarokkanischen Tanger Niederschlag. Daneben sind es aber auch scheinbar kleine Veränderungen in einzelnen Stadtvierteln, zum Beispiel Istanbuls, die eine tiefgreifende Transformation der Städte im Nahen und Mittleren Osten sichtbar machen. Das Städtische, so scheint es, erfindet sich hier gerade neu und drückt sich in veränderten baulichen und sozialen Strukturen aus. Die aktuellen Rekonfigurationen des Städtischen sind dabei das Ergebnis der jüngsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche: so binden sich die Gesellschaften der Region, ihre Städte und Immobilienmärkte zum Beispiel zunehmend in Globalisierungsbezüge ein, was sich auch als Resultat einer fortschreitenden Transformation von Politik in neoliberalem Sinne lesen lässt. Im Zuge dieser Neoliberalisierung von Städtebau und der Stadtentwicklungspolitik haben sich auch die Städte der Region tiefgreifend verändert. Umso verwundbarer wurden jedoch auch die dortigen (Stadt-)Staaten für die Auswirkungen der Immobilien- und Finanzkrise 2008/09, die sich, wie im Falle Dubais, erheblich auf Planung und Fortschritt der städtebaulichen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Großprojekte auswirkte.

Die Neoliberalisierung des Städtischen verändert jedoch auch, wie Nadine Scharfenort und Jonas Margraff am Beispiel von Doha (Qatar) und Muscat (Oman) verdeutlichen, die historisch gewachsenen sozioökonomischen Interaktionsräume in den Städten der Region zutiefst und führt nicht selten sogar zu deren Eliminierung – zugunsten der Entstehung neuer städtischer Architekturen und urbaner Räume, die einzig für den globalen Wettbewerb um Investitionen und Aufmerksamkeit geschaffen worden zu sein scheinen. Die Musealisierung historischer Stadtzentren – vom Golf über die Türkei bis in den Maghreb – soll in diesem Sinne eben nicht nur die Entwicklung des Immobiliensektors befeuern, sondern dient auch einer extrovertierten Markenpolitik zu ihrer weltweiten Positionierung.

Die beschriebene Stadtentwicklungspolitik befördert darüber hinaus die soziökonomische Segregation der städtischen Bevölkerung, der durch den Bau von „Gated Communities“, „Private Cities“, hyperrealen Konsum- und Freizeitwelten und „integrierten Touristenkomplexen“ immer intensiver Vorschub geleistet wird. Das von Felix Hartenstein geschilderte Beispiel der privat verwalteten Resort- und Retortenstadt El Gouna an der ägyptischen Rotmeerküste ist sicherlich ein sehr prominentes Beispiel für diesen Trend. Wohin eine solche Reise jedoch auch in arabischen Großstädten führt, veranschaulichen eindrücklich die Beiträge von Khaled Adham, Raffael Beier und Steffen Wippel zu Kairo, Tunis, Casablanca und Tanger. Während Adhams Beitrag über Kairo zeigt, dass sich an den großen Linien der Stadtentwicklung nach dem Vorbild Dubais angesichts der Restauration der Militärherrschaft unter Präsident Al-Sisi kaum etwas geändert hat, diskutiert Beier welch unterschiedliche Auswirkungen auf zukünftige Stadtentwicklungsstrategien der Arabische Frühling in Marokko und Tunesien mit sich brachte. Wippels Vorstellung der Transformation Tangers in Marokko ist in diesem Kontext ein gutes Beispiel dafür, wie sogar die vordergründig so wertneutral erscheinende Einbindung in Globalisierungsbezüge über den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ganz konkret zu einer zunehmenden Fragmentierung und Polarisierung städtischer Räume beiträgt.

Wie polarisierend die hier diskutierten aktuellen Trends der Stadt- und Infrastrukturentwicklung wirken, wird deutlich, wenn man diejenigen sichtbar macht, die sonst zurückbleiben: die Armen, die als Arbeiter auf der Schattenseite des städtebaulichen Booms der vergangenen Jahre wiederum das Funktionieren dieser schönen neuen Welt erst ermöglichen. Besonders gilt dies für die – trotz aller Verbesserungen der letzten Jahre – entwürdigenden und oft sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen der Migranten auf dem Bau in den Golfstaaten, über die auch schon frühere inamo-Ausgaben berichtet haben (z.B. Heft 81/2015). Sozioökonomische Polarisierung und Fragmentierung in den arabischen Gesellschaften wird so auch in der Stadtentwicklung immer deutlicher sichtbar. Die Stadt wird daher zunehmend zur Arena und zum Gegenstand gesellschaftlicher Kämpfe um ökonomische und politische Macht und Teilhabe. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass natürlich auch der Arabische Frühling teilweise seinen Anlass in den bisherigen Stadtentwicklungspolitiken der Eliten hatte, seinerseits jedoch ebenfalls seine Spuren in den jüngsten Stadtentwicklungsprozessen und Planungen der Region hinterließ. Dem Ruf nach mehr politischer Partizipation in der Stadtentwicklung bspw. Tunesiens steht spiegelbildlich der Versuch gegenüber, existierende autoritäre Herrschaftsstrukturen mit Hilfe städtebaulicher Entwicklungsstrategien zu festigen.

Interessanterweise müssen sich hierzu Religion, neoliberale Wirtschaftsinteressen und Herrschaftssicherung keineswegs ausschließen, sondern scheinen sich gegenseitig sogar zu bestärken, wie Atef Alshehri am Beispiel von Mekka und Medina sowie Ayşe Öztürk für den Istanbuler Stadtteil Eyüp in diesem Heft zeigen. Während der historische, soziale und bauliche Charakter der beiden heiligsten Städte der islamischen Welt zunehmend durch ihre fortschreitende Ökonomisierung gefährdet erscheint, ist in Istanbul die Pluralität und Weltoffenheit der alten kosmopolitischen Kapitale am Bosporus durch die zunehmende Re-Islamisierungs- und Re-Osmanisierungspolitik der AKP-Regierung bedroht. In Verbindung mit einer steigenden Re-Nationalisierung von Politik zielt die AKP nicht nur darauf ab, die Geschichte der Türkei neu im Sinne ihrer konservativ-islamistischen Ideologie zu erfinden, vielmehr drängt die Regierungspartei auch mit städtebaulichen Mitteln darauf, die Verankerung Istanbuls und der Türkei im Westen zu lockern. In Tadschikistan versucht die Regierung, ein regional und national geprägtes Kultur- und Religionsverständnis zu fördern, das sich auch in städtebaulicher Hinsicht niederschlägt, wie Manja Stephan-Emmrich über das postsozialistische Duschanbe berichtet. Zugleich machen sich dort zunehmend kulturelle und religiöse Einflüsse von der Arabischen Halbinsel, z.B. in Architektur, Mode und Konsum, breit, wobei sich auf oft widersprüchliche Weise Prozesse der „Golfisierung“ von oben und von unten durchdringen.

Neben den diskutierten Prozessen, die vor allem in den Großstädten der Region stattfinden, bleiben jedoch viele kleinere Städte weiterhin unbeachtet. Sie werden von nationalen Entwicklungsstrategien kaum erfasst, erfahren keine städtebauliche Aufwertung und bleiben weltwirtschaftlich wenig integriert. Dort ist die sozioökonomische Situation meist noch schlechter. Vor allem aber wurden in den Bürgerkriegen der letzten Jahre zahlreiche alte Kulturmetropolen und bedeutende Wirtschaftszentren wie Aleppo und Mossul weitgehend zerstört und ihre Bewohner von den Machthabern und Belagerern ausgehungert, tyrannisiert und vertrieben. Welche Wirkung dies auf die Städte in Syrien, Irak und Libyen dauerhaft ausüben wird, erscheint heute noch kaum absehbar.

Bei aller Unterschiedlichkeit der lokalen politischen und wirtschaftlichen Kontexte von Stadtentwicklung in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens zeigen sich – abgesehen von den Bürgerkriegsländern – aber doch immer wieder ähnliche Muster und Motive. Dennoch gibt gerade das tunesische Beispiel Anlass zur Hoffnung dafür, dass auch in der Region eine öffentliche Debatte möglich wird über die Ideale des Urbanen im 21. Jahrhundert und, wie man sie in konkreter Stadtentwicklungspolitik angehen könnte – nämlich durch Demokratisierung von unten und den Aufbau lokaler Governance-Strukturen. Ein solcher positiver Ausblick führt den Betrachter zurück zu den Wurzeln des Arabischen Frühlings in Tunesien. So sehr auch eine demokratische Umorientierung von Stadtpolitik eher noch einer Baustelle ähneln mag als schon Realität zu sein – dieser Art Baustelle würde man in der Zukunft doch gerne öfter begegnen.

Das Dubai-Modell: Herrschaftsstabilisierung durch Stadtentwicklung

Von Christian Steiner

Die auf den Bau hyperrealer Großprojekte und ikonischer Gebäude ausgelegte Stadtentwicklungsstrategie Dubais fand bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008/09 eine enorme globale Aufmerksamkeit und war Vorbild für viele arabische Staaten. Der vorliegende Artikel diskutiert daher die grundlegende Funktionsweise des Dubai-Modells der Stadtentwicklung. Es zeichnet sich ab, dass neben erheblichen ökonomischen Gewinnen vor allem auch ein politischer Legitimationsgewinn mit dem Bau hyperrealer Projekte erzielt werden kann, der dazu dient die herrschenden Machtverhältnisse zu stabilisieren.

Neoliberale Rekonfigurationen und urbane Regeneration in Muscat und Doha     

Von Jonas Margraff/Nadine Scharfenort

Die Stadtentwicklung in den Metropolen der arabischen Welt folgt seit den frühen 2000er Jahren immer stärker neoliberalen Mustern. Es vollzieht sich ein Stadtneu- und -umbau, der auf Profitmaximierung im Immobiliensektor einerseits und auf Marketingstrategien andererseits fokussiert. Auch in den Staaten des Golfkooperationsrats vollziehen sich Transformationsprozesse, die historisch gewachsene sozioökonomische Interaktionsräume eliminieren, verändern und neue entstehen lassen. Anhand von Fallbeispielen aus Muscat und Doha wird deutlich, wie sehr eine ganzheitliche und kohärente Stadtplanung projektbasierten flexiblen Raumnutzungskonzepten gewichen ist. Bisherige Bewohner werden aus zentralen Stadtteilen verdrängt, die nur noch elitären Teilen der Bevölkerung zugänglich sind. Die Schaffung halbprivatisierter öffentlicher Räume verstärkt diesen Prozess sozialräumlicher Fragmentierung.

Wenn Firmen Städte bauen: El Gouna als Pionier einer unternehmerischen Stadtvision

Von Felix Hartenstein

In Ägypten breitet sich zunehmend ein neuer Typus Wohngebiet aus: Private Integrated Communities. Diese privatwirtschaftlich betriebenen Areale verfügen über zahlreiche städtische Dienstleitungen und schotten sich gegenüber ihrer Umgebung stark ab. Durch ihre elitäre Ausstattung und die Kommerzialisierung urbaner Lebensbereiche gefährden sie zunehmend den sozialen Zusammenhalt in Ägypten.

Stadtentwicklung im postrevolutionären Kairo: Spiegelbild Dubais oder Keynesianismus auf Droge

Von Khaled Adham

Die in einer Stadt herrschende politische Ökonomie beeinflusst weithin ihren Urbanisierungs-prozess. Von dieser Beobachtung ausgehend, vertritt dieser Aufsatz die These, dass im post-revolutionären Kairo Stadtentwicklung in Form eines fragmentierenden, hybriden Mix unterschiedlicher Ansätze stattfindet. Erstens wird dem Dubai-Modell nachgeeifert, zweitens soll ein breiter keynesianischer Ansatz zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beitragen und drittens unterliegt Stadtentwicklung in Kairo zunehmenden einem neoliberalen Regime. Die Folge sind zunehmende räumliche Fragmentierung und eine immer ungleichere geographische Entwicklung.

Tunis und Casablanca: Stadtentwicklungspolitiken nach dem Arabischen Frühling zwischen „Worlding“ und Sozialverträglichkeit        

Von Raffael Beier

2011 gerieten die arabischen Städte als Orte der Revolte in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Dieser Artikel widmet sich dem engen Verhältnis von Stadt und Protest und fragt, inwiefern die Stadtentwicklungspolitik in Tunis und Casablanca auf den Arabischen Frühling reagiert hat. Neben Versuchen der strukturellen Erneuerung der Stadtentwicklungspolitik in Tunesien und steigender Bedeutung der sicherheits- und stabilitätspolitischen Dimension in der Stadtplanung, sind zuletzt verstärkt Kontinuitäten, insbesondere im Hinblick auf den Bau von Großprojekten, zu beobachten.

Tanger: Stadtum- und –ausbau zwischen Globalisierung und Fragmentierung

Von Stefan Wippel

Tanger hat in den letzten Jahren nicht nur einen großen Containerhafen erhalten, der rasch in die globale Spitzenliga aufgestiegen ist. Die lange vernachlässigt Stadt im Norden Marokkos erlebte auch einen gewaltigen Stadtum- und -ausbau. Die neuen Wirtschafts- und Verkehrsinfrastrukturen trugen zu einer erheblichen Globalisierung einer im regionalen und globalen Maßstab „sekundären Stadt“ bei. Gleichzeitig führen die Großprojekte jedoch auch zu zunehmenden sozialräumlichen Fragmentierungen.

Mekka und Medina, die heiligen Städte Arabiens am Kreuzweg der Geschichte

Von Atef Alshehri

Das Aufeinandertreffen der gegenwärtigen Transformationsprozesse und der urbanen Geschichte Mekkas und Medinas ist eine umstrittene Angelegenheit. Als heilige Stätten hatte sich ihre historisch geprägte städtische Form weitgehend ihrer religiösen Bedeutung angepasst. Die gegenwärtigen drastischen Veränderungen ihrer urbanen Gestalt gehen allerdings einher mit einem sich gefährlich vertiefenden Bruch mit ihrem kulturellen Erbe. Diese Kluft ist das Ergebnis mehrerer Faktoren, die zusammenwirkten, wie etwa von Maßnahmen staatlicher und privater Unternehmen, von permanentem und zeitweiligem Bevölkerungswachstum sowie von ökonomischem Wettbewerb und Entwicklungsproblemen Saudi-Arabiens. Die daraus resultierende Erosion des städtischen Erbes hinterließ nicht nur fragmentierte Städte, sondern hat auch starke soziale Verwerfungen zur Folge.

Zwischen Spiritualität und Kulturtourismus: Neo-Osmanische Stadtentwicklung in Eyüp, Istanbul

Von Ayse Öztürk

Die Stadtentwicklungspolitik der regierenden AKP in Istanbul hat in den vergangenen Jahren wiederholt für Aufmerksamkeit gesorgt. Dabei standen Proteste gegen die Transformation symbolischer Plätze, Gentrifizierung und Megaprojekte im Vordergrund. Kaum beachtet von westlichen Medien wurde das Viertel Eyüp am Goldenen Horn. Für die AKP ist es jedoch von besonderer Bedeutung. Deren Kern lässt sich ausgehend vom Beispiel der 2016 in Eyüp aufgestellten Almosensteine rekonstruieren: die Osmanisierung des Stadtteils, die Deutung Eyüps als Zentrum einer islamisch-osmanischen Zivilisation, die Förderung des Tourismus und das Selbstverständnis der Stadtteilverwaltung als Bewahrer von Kultur und Verteiler von Sozialleistungen. Dies verbindet sich mit einer selektiven Neuinterpretation der Geschichte durch die AKP, die mit neo-osmanischen und islamistischen Erzählungen über den Ort ihre eigene Herrschaft legitimieren will.

„Duschanbe goes global“ – Tadschikistan zwischen Golfisierung und Islamisierung         

Von Manja Stephan-Emmrich                                                               
Das Stadtbild Duschanbes, der Hauptstadt der zentralasiatischen und ehemaligen sowjetischen Republik Tadschikistan, durchläuft derzeit gravierende Umgestaltungs- und Modernisierungsprozesse. Sowohl die alten Wohnviertel im Stadtzentrum mit ihren traditionellen Gehöften (hovli) und flachen Lehmziegelbauten als auch die sowjetischen Wohnblöcke (sekziya), weichen luxuriösen Apartmentblocks, modernen Büro- und Firmengebäuden sowie Fünf-Sterne-Hotelanlagen, die von türkischen, iranischen, chinesischen und golfarabischen Investoren finanziert werden. Ebenso werden städtische Basare, die eng mit der Geschichte Duschanbes verwoben sind und früher die Region mit der Seidenstraße verknüpften, geschlossen und durch moderne Einkaufs- und Handelszentren ersetzt. Wo vorher Obst, Gemüse und andere Grundnahrungsmittel im Freien und über ein flexibles Preissystem verkauft wurden, werden heute Luxusgüter und Lifestyle-Produkte zu Festpreisen in modern, ausgestatteten Shopping Malls angeboten.

Inhalte im allgemeinen Teil

Gastkommentar

Von Jürgen Guilliard: Mossul ‒ einer Millionenstadt droht die vollständige Zerstörung

Syrien

John Kerrys Eingeständnis: „USA unterstützte ISIS in Syrien, Russland kämpfte gegen den Terror.“

 Von Phillip Weiss

Die USA sahen dem Aufstieg von ISIS in Syrien tatenlos zu und hofften, ihn kontrollieren zu können. Im letzten Herbst traf der US-amerikanische Außenminister Kerry am Sitz der UNO zu einer privaten Unterhaltung mit Anti-Asad-Aktivisten zusammen. Das Treffen wurde heimlich mitgeschnitten. Die Unterhaltung drehte sich hauptsächlich um die Frustration Kerrys und der Syrer darüber, dass Bashar al-Asad immer noch an der Macht und in der Lage war, mit Unterstützung der Russen Massaker zu verüben, die das Völkerrecht nicht im gleichen Maß wie die Amerikaner achten. Doch der Autor rät, sich die ganze Aufnahme anzuhören.

Fünf Fehler, die der syrischen Opposition zum Verhängnis wurden

Von Sami Kleib

„Wenn der Streiter von morgen die gestrige Schlacht nicht von Grund aus kennt, so wartet dasselbe Blutbad auf ihn. Unter solchen Umständen ist Schmeicheln gleichbedeutend mit Verrathen. Wer dem Volke falsche Revolutionslegenden erzählt und es – ob vorsätzlich oder aus Unwissenheit – durch Geschichtsdithyramben täuscht, ist ebenso strafbar , wie der Geograph der falsche Karten für die Seefahrer entwerfen würde.“ (Prosper Lissagaray, Pariser Kommune 1871)

 

Saudi-Arabien

Saudi-Arabiens Traum, die dominante arabische und muslimische Kraft in der Welt zu werden, ist geplatzt

Von Patrick Cockburn

Vor nur zwei Jahren schien es, als könnten Saudi-Arabiens Bestrebungen der letzten 50 Jahre, sich als führende Kraft in der arabischen und muslimischen Welt zu behaupten, zum Erfolg führen. Saudi-Arabien und Qatar wurden 2014 in einem Bericht des US-Außenministeriums als Rivalen im Kampf um die „Vorherrschaft in der Sunnitischen Welt“ bezeichnet. Der Bericht war von der damaligen Außenministerin, Hillary Clinton, versandt und von Wikileaks veröffentlicht worden.

 

Israel/Palästina

Aus der Traum: Das Friedenskino von Jenin weicht einem Einkaufszentrum

Von Irit Neidhardt

Im August 2010 hat das Cinema Jenin auf Initiative des deutschen Dokumentarfilmers Marcus Vetter in der palästinensischen Westbank mit großer westlicher Medienaufmerksamkeit als Friedenskino eröffnet. Anfang Januar 2011 warfen Unbekannte einen Molotov Cocktail ins Büro des Kinos, was in der Presse so gut wie keine Beachtung fand, und im Dezember 2016 wurde es, begleitet von zahlreichen arabischen und manchen westlichen Medienberichten, abgerissen.

In der inamo 63 | Herbst 2010 erschien der Artikel “Palästina neu erfinden: Das Friedenskino von Jenin”, der die Eröffnung des Cinema Jenin kritisch analysiert und den Friedensbegriff, der dem Projekt zugrunde liegt untersucht. In dem Beitrag „Cinema Jenin und kein Frieden“ in inamo 65 | Frühjahr 2011 ging es um Aspekte der Finanzierungsstruktur des Cinema Jenin und die Frage, inwieweit die Reduzierung deutschen Einflusses in dem Projekt möglich ist.

 

Israels Waffendeal mit thyssenkrupp

Von Shir Hever

Korruptionsskandale, die mit dem Namen des israelischen Premierministers verbunden sind, häufen sich.  Der Staatsanwalt Avihai Mendelblit, ein Freund Netanyahus, verzögerte zunächst polizeiliche Ermittlungen, hatte letztlich aber keine andere Wahl als sie anzuordnen. Benjamin Netanyahu und seine Frau Sarah, sowie einige seiner Berater, ehemalige Kabinetts-Mitglieder und steinreiche Freunde, werden jetzt zu diesen Fällen befragt.

 

Sudan/Südsudan

Sudan-Sanktionen gelockert, Südsudan-Waffenembargo gescheitert

Von Roman Deckert

In einer seiner letzten Amtshandlungen hat US-Präsident Barack Obama die Aufhebung von Handelssanktionen gegen den Sudan verfügt, die zwanzig Jahre in Kraft waren. Zugleich scheiterte sein später Vorstoss für ein Waffenembargo gegen den Südsudan. In dem ölreichen Teilstaat Unity stehen 310 000 Menschen akut vor dem Hungertod. Landesweit leiden rund fünf Millionen – knapp die Hälfte der Bevölkerung – unter schwerer Unterernährung.

Islam

Islamischer Messianismus

Von Reinhard Möller                                                        

 

„Der Teufel hat das Fragen erfunden!“ Nachruf auf  Sadik J. al-Azm, Weltbürger und Enfant Terrible

Von Kai-Henning Gerlach (ausführlicher Text als pdf)

 

Wirtschaftskommentar

Der niedrige Erdölpreis birgt Turbulenzen

Von Karin Kneissl

Zeitensprung

1798 Mit Napoleon kam der Buchdruck nach Kairo

 

Ex mediis  

Judit Tavakoli: Zwischen Zelten und Häusern – Die Bedeutung materieller Ressourcen für den Wandel von Identitätskonzepten saharauischer Flüchtlinge in Algerien. (Friedemann Neumann)

Tayfun Guttstadt: Gestrandet. Geflüchtete zwischen Syrien und Europa. (Jan Rübel)