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GASTKOMMENTAR

Afghanistan: Schon wieder ein Sieg der Demokratie
von Matin Baraki

 


 

JORDANIEN: Hochglanzreformen

Regierung, Opposition in Jordanien und der Gaza-Krieg
von André Bank und Morten Valborn

Der dreiwöchige Gazakrieg im Dezember 2008 und Januar 2009 hat auch das benachbarte Jordanien politisch stark bewegt. Trotz der Versuche des haschemitischen Regimes unter König Abdallah, einer arabisch-islamistischen und pro-palästinensischen Mobilisierung mit einer Taktik der situativen rhetorischen Entrüstung bei gleichzeitig stillschweigender Akzeptanz der israelischen Kriegsoffensive zu begegnen, ist es zu Massendemonstrationen nicht nur des palästinensischen Bevölkerungsanteils gekommen. Der jordanischen Muslimbruderschaft, traditionell eng mit der palästinensischen Hamas verbunden und die stärkste formelle Opposition im Land, kam hierbei eine zentrale Bedeutung zu. Auf diese innenpolitischen Implikationen des Gazakriegs für Jordanien wird im vorliegenden Beitrag der Fokus gerichtet.

 

Ein Land – zwei Pfade? 20 Jahre ökonomische und sozialpolitische Reformen
von Katharina Lenner

Das Jahr 2009 markiert nicht nur das zwanzigste Jubiläum eines widersprüchlichen politischen Öffnungsprozesses, sondern auch das einer tiefgreifenden ökonomischen und sozialpolitischen Restrukturierung, die den alten Sozialvertrag, die Formen des Regierens und die Lebensrealitäten vieler Jordanier/innen grundlegend verändert hat. Eine nähere Betrachtung zeigt, dass sich das Land nicht eindeutig auf einem einzigen Pfad vorwärts bewegt, sondern eher zwei, teils gegenläufige Prozesse durchmacht, die allerdings eng miteinander verwoben sind.

 

Dezentralisierungsversuche: Große Pläne – kleines Land
von Malika Bouziane

Wie am Beispiel von Jordanien gezeigt wird, bedeutet Dezentralisierung nicht unbedingt Partizipationsausweitung und Good Governance, sondern kann in einem autoritären Kontext zur Sicherstellung von erwünschten Machtverhältnissen instrumentalisiert werden. In Jordanien reicht der Reformprozess von der Revision der Kommunalverfassung im Jahre 2007, über die Idee der Regionalisierung bis hin zur Errichtung von Entwicklungszonen. In die komplexe Re- und Neustrukturierung lokaler Regierungsstrukturen intervenieren zusätzlich zu den nationalen auch internationale Akteure wie USAID oder EU.

 

„Über-Individuen“ und „Über-Stämme“. Interview mit Mustafa Hamarneh

Dr. Mustafa Hamarneh ist Vorstandsvorsitzender jordanischen Wochenzeitung «al-Sijil» und ein früherer Direktor des Center of Strategic Studies (CSS). Die Zeitung Jordan Business interviewte den politischen Aktivisten und Verfechter der Zivilgesellschaft. Was denkt Hamarneh über die nun seit 10 Jahren andauernden Reformen, über die Schwierigkeiten ihrer Durchsetzung und über die Beziehungen zwischen Staat und den wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen im Land. Der nachfolgende Beitrag gibt die Cover Story des Jordan Business vom März 2009 in Auszügen wider.

 

Brotunruhen, arabische Solidarität, tribaler Islamismus
von André Bank

Im April 2009 jährten sich zum zwanzigsten Mal die Massendemonstrationen, die vom südlichen Ma‘an ausgehend ganz Jordanien erschütterten und eine partielle Öffnung der politischen Arena zur Folge hatten. Auch wenn die politischen Freiheiten bis dato weitgehend zurückgenommen wurden und das Haschemitische Königreich weiterhin als unzweifelhaft stabil-autoritär zu bezeichnen ist, sind die Protestaktivitäten sozialer Akteure nicht abgerissen – sie haben sich aber teilweise hinsichtlich der ihnen zugrunde liegenden Ursachen, der zentralen Trägergruppen und Zielsetzungen verändert. Grund genug, den Formenwandel politischer Proteste in Jordanien seit 1989 systematischer in den Blick zu nehmen. Mit dieser Zusammenschau der neueren Protestgeschichte liefert der Beitrag, so die Hoffnung, auch eine „Hintergrundfolie“, vor der aktuelle und zukünftige Demonstrationen und Aufstände in Jordanien interpretiert und mit früheren Protestformen kontrastiert werden können.

 

Neo-liberales Jordanien. Der Widerstand der Straße
von Hisham Bustani

Jordanien erlebt unter König Abdullah II eine intensive Phase der Wirtschaftsliberalisierung. Das Land soll erst ökonomisch und dann politisch fit für seine neue Rolle als Brückenkopf eines globalisierten Kapitalismus in der Region gemacht werden. Die jordanische Elite befürwortet die neoliberalen Reformen. Für die große Masse der Bevölkerung bringen die sattsam bekannten Strukturanpassungsmaßnahmen aber erhebliche Belastungen. Hisham Bustani beschreibt in seinem Beitrag die Gewinner und Verlierer der jordanischen Fassung des Stücks „Privatisierung ist die Zukunft!“. Er zeichnet die Akteure differenziert und vermittelt Hoffnung, wenn er die Solidarisierungseffekte innerhalb der Bevölkerung und speziell innerhalb der Arbeiterschaft beschreibt.

 

Ungesichrete Zahl, unsichere Zukunft. Irakische Flüchtlinge in Jordanien
von Géraldine Chatelard

Die Zahl der Iraker, die seit dem Sturz Saddam Husseins im Mai 2003 in Jordanien Zuflucht gefunden haben, bleibt umstritten. Dies gilt auch für Syrien. In den letzten Jahren hat Jordanien nur einer geringen Zahl irakischer Vermögender und Fachkräfte Aufenthaltsgenehmigungen erteilt – nach offiziellen Angaben etwa an 2.000 Einzelpersonen. Weil es in Jordanien kein formales Asylrecht gibt, werden die übrigen Flüchtlinge, deren Besuchserlaubnis abläuft, zu Illegalen, die in Jordanien festsitzen und nicht in den Irak zurückkehren, weil sie fürchten, nicht wieder nach Jordanien einreisen zu dürfen.´

 

Hochschulbildung zwischen Liberalisierung, Export und Capacity Building
von Ala al-Hamarneh

„Al-insan aghla ma namluk“ (Der Mensch ist das wertvollste, was wir besitzen), pflegte König Hussein von Jordanien (1935 – 1999) öfter in seinen Reden und Interviews zu wiederholen. In der Tat gehören besonders die gut ausgebildeten jordanischen Gastarbeiter, die vor allem in den reichen Golfstaaten als Ärzte, Apotheker, Ingenieure, (Hochschul-)Lehrer, Manager, Makler, Bankiers, Journalisten usw. tätig sind, zu den Haupteinnahmequellen des Landes. Sie überweisen jährlich Hunderte Millionen von Dinar und Dollar ins Land. Dadurch unterstützen sie ihre Familien und den relativ hohen Lebensstandard des Landes, das wenig natürliche Ressourcen und Industrie besitzt. Die gute Ausstattung mit Humankapital ist das Ergebnis der langjährigen strategischen Entwicklung des jordanischen (Hoch-) Schulsystems.

 

Gesucht: Journalistische Professionalität
von Judith Pies

Die Professionalisierung des Journalismus und der Medien ist in Jordanien zur Zeit ein zentrales Thema. Doch was genau unter professionellem Journalismus verstanden werden soll, daran scheiden sich die Geister. Die Suche nach der „passenden“ Professionalität ist nämlich zugleich die Suche nach einer neuen journalistischen Identität, deren facettenreiche Aushandlung hier an verschiedenen Diskussionen und Entwicklungen exemplarisch aufgezeigt werden soll.


DEUTSCHLAND/ÄGYPTEN

Der Mord an Marwa. Ein medienkritischer Rückblick
von Hanan Badr

Die Medien können einen Dialog zwischen den Kulturen fördern, aber auch hemmen. Leider zeugt die Berichterstattung über Marwas Tod von einer mangelnden interkulturellen Sensibilität sowohl in den deutschen als auch in den ägyptischen Medien. Die Art und Weise der medialen Präsentation kann nicht einzig mit dem dualistischen Weltbild auf Produzentenebene erklärt werden; sie macht vielmehr die strukturellen Widersprüche in Politik und Gesellschaft sichtbar. Handelt es sich schlicht um einen Fall von „Doppelmoral der deutschen Medien“ oder bedarf dieses komplexe Ereignis einer umfassenderen Analyse, da sich hier die konstruierte Dichotomie von muslimischer und westlicher Welt widerspiegelt?

 


 

SÖLDNER

Söldnerfirmen. Gefahr für die Demokratie
von Matin Baraki

Nach der Auflösung des Warschauer Paktes am Ende des Kalten Krieges tauchte die Frage nach Auflösung der NATO auf. Also musste hurtig ein neuer Feind erfunden werden und eine neue Legitimation für die freie Welt und ihrer Kriegsmaschinerie und militärischen Strukturen gefunden werden. Die Armeen der westlichen Länder wurden umstrukturiert, nämlich von der Massen- zur High-Tech-Armee. Dabei wurden Tausende Soldaten und viele Offiziere freigesetzt. Diese Berufsmilitärs suchten sich eine neue, sehr begehrte und lukrative Arbeit und schufen die privaten Söldnerfirmen. Krieg führen wird jetzt eine Dienstleistung, in enger Zusammenarbeit mit der Politik, den privaten Söldnerfirmen und den privaten Wirtschaftsunternehmen. Die äußere wie innere Sicherheit wird dem privatwirtschaftlichen Kalkül und dem Gewinnstreben privater Militärfirmen überlassen. Dies ist nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sondern es besteht die Gefahr, dass diese Firmen der Kontrolle des Staates entgleiten und somit besteht eine erhebliche Demokratiegefährdung.

 


 

Marokko

Zu viele Sieger bei den Kommunalwahlen
von Jan Völkel

Marokko ist für Beobachter und Analysten eine ständige Herausforderung. Ist das Land nun auf dem Wege einer Demokratisierung, oder ist es nach wie vor autokratisch regiert, mit einem mehr oder weniger wohlwollenden Monarchen an der Spitze? Die Antworten auf diese Fragen fallen nicht leicht, erst recht nicht nach den jüngsten Kommunalwahlen vom 12. Juni 2009. Diese waren mit Spannung erwartet worden, galten sie doch als erste Bewährungsprobe für den neuen Regionalisierungsprozess, der von König Mohamed VI. im Dezember 2006 angestoßen worden war.

 


 

ISRAEL/PALÄSTINA

Siedlungs- und Rohstoffpolitik. Geplanter Rückzig des Staates
von Dina Jadallah-Taschler

„Seit 1967 hat Israel die WZO dazu benutzt, um internationales Recht, das „Siedeln“ auf besetztem Land verbietet, durch die Bildung einer speziellen Siedlungsabteilung, die augenscheinlich nicht Teil der Regierung ist, aber von dieser vollständig finanziert wird, zu umgehen…Nichtstaatliche Institutionen werden benutzt, um die wahren Machenschaften und Ziele des Staates vor möglicher rechtlicher oder öffentlicher Verurteilung zu verbergen.“ Der Staat versteckt sich hinter transnationalen und nichtstaatlichen Akteuren. Das Verstecken des Staates hinter „privaten Institutionen“ untersucht die Autorin auch am Beispiel des Ausverkaufs der ägyptischen Erdgasressource an Israel und am Schacher um die Erdgasfelder vor der Küste des Gazastreifens durch die BP-Group, jetzt BG. Die Israel Corporation verhandelte im November w2009 mit GB, die Rechtsgültigkeit der Verträge der PA mit GB stellt Israel in Frage.

 


 

SUDAN

Al-Bugaa-Theaterfestival 2009. Erzählen und Schweigen
von Kai Tuchmann

Das al-Bugaa-Theaterfestival fand vom 27. März– 04. April 2009 in Omdurman statt. Kai Tuchmann war Mitglied der Jury des Festivals.

 


 

LITERATUR

Erich-Fried-Preis für Esther Dischereit

Esther Dischereit erhält den mit 15.000 Euro dotierten Erich-Fried-Preis 2009. Der Preis ist gestiftet vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kulturs in Wien. Die Auszeichnung wird seit 1990 von der Erich-Fried-Gesellschaft für Literatur und Sprache vergeben. Die Preisverleihung findet am 29. November 2009 im Wiener Literaturhaus statt. Esther Dischereit ist in Heppenheim a.d.B. geboren, lebt in Berlin. Sie hat seit 1989 neben Hörspielen, Theaterstücken, Essays, Prosatexten drei Lyrikbände veröffentlicht. In Jazz-Lyrik-Projekten arbeitete sie unter anderen mit den Musikern Johannes Niebergall, Bülent Ates, Freidemann Graef, Ray Kaczynski zusammen. Ihr Hörspiel „Rote Schuhe“ war Hörspiel des Monats. Esther Dischereit gehört zu den profiliertesten Vertreterinnen der jüngeren jüdischen Literatur – vor allem aber zu den sprachlich anvanciertesten, wie Petra Günther im Kritischen Lexikon der Gegenwartsliteratur schrieb.

 


 

Wirtschaftskommentar

EU-GCC-Freihandelsabkommen: Eine unendliche Geschichte
von Anja Zorob

Die „Geschichte“ der Freihandelsverhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Golfkooperationsrat (GCC ) zählt nunmehr fast 20 Jahre. Nach relativ intensiven Verhandlungen ab der Mitte des laufenden Jahrzehnts wurden sie jedoch vom GCC im Dezember 2008 einseitig suspendiert. Begründet wurde dies mit dem in ihren Augen unverständlichen Verhalten der Europäer, den Abschluss der Verhandlungen mit stetig neuen, schier inakzeptablen Forderungen an die Adresse der Golfstaaten indefinit hinauszögern zu wollen. Anfang August machte indes ein Bericht die Runde, die GCC-Mitglieder hätten sich auf eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der EU verständigt. Ob allerdings, wie in dem Papier vermutet, alle Hindernisse auf dem für September geplanten Treffen der Verhandlungsdelegationen in Bahrain aus dem Weg geräumt werden können, scheint eher unwahrscheinlich.

 


 

Zeitensprung

Das kurze, lange Leben des Hasan al-Banna
von Lutz Rogler

Das Leben des Hasan al-Banna begann im Oktober 1906 in einem Dorf in der ägyptischen Provinz. Es fand ein gewaltsames Ende im Februar 1949 im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Geboren als der älteste Sohn eines Uhrmachers und religiösen Laiengelehrten starb er vier Monate nach Vollendung seines 42. Lebensjahres als Führer der seinerzeit größten religiösen, sozialen und politischen Bewegung Ägyptens, der Muslimbrüder. Sechzig Jahre nach seinem Tod gelten diese nicht nur als die einflussreichste politische Oppositionskraft in Ägypten, sondern werden weithin als die „Mutterbewegung“ der Vielzahl von nahezu auf allen Kontinenten existierenden Gruppen, Bewegungen und Parteien angesehen, auf die sich heute oft nur die Phänomen- bzw. Kollektivbezeichnung Islamismus bezieht.

 


EX LIBRIS

John R. Bradley: Inside Egypt – The Land of the Pharaohs on teh Brink of a Revolution.
von Edgar Göll

Stephen J. Sniegoski: The Transparent Cabal. The Neo-Conservative Agenda.
von Werner Ruf

Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust
von Havva Kökbudak