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Am 8. März 2016 erklärte die Präsidentin des Sondertribunals für den Libanon (STL) in Den Haag (Leidschendam) Ivana Hrdlickova, dass das STL Karma Mohammad Tahsin Al-Khajat, Verantwortliche des TV-Senders Al-Jadid in Beirut, nicht länger strafrechtlich verfolgen werde. .Es wurde ein Fehlurteil des Richters eingeräumt. Im Klartext: Der Ankläger konnte nicht beweisen, dass Frau AL-Khajat eine gerichtliche Anordnung per E-Mail am 10.8.2012 erhalten hat. Angeklagt wurde sie wegen Missachtung des Gerichts (Nichtbeachtung einer gerichtlichen Anordnung), schuldig gesprochen und verurteilt zu 10.000 Euro wurde sie am 18.9.2015 von Richter Nicola Lettieri. „Lettieri argumentierte, Frau Al-Khajat habe sich vorsätzlich der ihr per E-Mail zugesandten Anweisung des STL widersetzt, die von ihr im Jahre 2012 produzierte TV-Serie mit dem Titel »Die Zeugen des Internationalen Strafgerichtshofs« von der Website des Senders zu entfernen. Das STL drängte, die Veröffentlichung von Informationen über Zeugen des Verfahrens im Mordfall des Multimilliardärs und ehemaligen Ministerpräsidenten des Libanon, Rafik Hariri, zu stoppen“.
„Das vom UN-Sicherheitsrat installierte STL führt seit 2014 einen Indizienprozess in absentia gegen die vermeintlichen Mörder Hariris. Fünf Angehörige der schiitischen Hisbollah sollen ihn am 14. Februar 2005 in Beirut mit einer Autobombe getötet haben. Das Verbrechen war Auftakt zum Regime-Change in Libanon, der »Zedernrevolution«, die den Abzug der Ordnungsmacht Syrien erzwang. Der US-amerikanische Ankläger, Kenneth Scott, beschuldigte Al-Khajat und den Sender Al-Dschadid Anfang 2014, die Ausstrahlung der TV-Serie sei eine »konzertierte Aktion« gegen das STL, um das Vertrauen der libanesischen und internationalen Öffentlichkeit in das Leidschendamer Gericht zu erschüttern. Schließlich, so Scott, habe »die Meinungsfreiheit Grenzen«. Obwohl Al-Khajat die Gesichter der interviewten Zeugen »verpixelt«, ihre Stimmen verzerrt, ihre Namen nicht genannt hatte, stimmte Lettieri dem US-Ankläger Scott zu, urteilte, die Dokumentationen lieferten »genügend Informationen, um die Zeugen zu identifizieren«, und verurteilte Al-Khajat. Ihr Anwalt Karim Khan hatte im September 2015 Berufung eingelegt.“
Stellungnahme von Frau Al-Khajat: »Ich habe keine E-Mail erhalten«…Ich erwarte eine Entschuldigung. Nach zwei Jahren und zwei Monaten Verschwendung meiner Zeit, der meines Senders und von Geldern für etwas, das gegen die Redefreiheit gerichtet ist, kann ich nur sagen: Das ist ein Totalangriff auf Journalisten.« (Daily Star, Beirut).
Das STL steht in der Kritik, ausschließlich libanesische Medienschaffende strafrechtlich zu verfolgen, während es westliche Journalisten, die ihnen zugespielte Interna des Tribunals veröffentlichen, ungeschoren davonkommen lässt. Hrdlickovás Urteil dürfte die Kritiker des Tribunals darin bestärken, dass dieses Unmengen an Geldern verschwende. Von den bislang ausgegebenen 400 Millionen Euro finanzierte Libanon 49 Prozent. Al-Khajat erklärte, allein ihr Verfahren habe 15 Millionen Euro gekostet. (Aus: Junge Welt, 11.03.2016, J.C.Külbel)